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3. Sonntag der österlichen Bußzeit A (2011)
Alt.-kath. Kirchengemeinde Stuttgart (27.03.2011)

Lars NaumannSilke GrasmannAnsprache
Lars Naumann
+ Silke Grasmann

zu Johannes 4, 5-19;25-26,
"Die Frau am Jakobsbrunnen"

 

L: Liebe Gemeinde,

der Bitte, das Projekt  "Café Strich-Punkt" im Rahmen des heutigen Diakoniesonntags vorzustellen und auch eine Ansprache zum heutigen Evangelium zu halten, sind wir sehr gerne nachgekommen. Überrascht waren wir bei der Vorbereitung, wie viel der heutige Predigttext mit der Arbeit unseres Vereins zu tun hat. Drei Gesichtspunkte sind uns zum Predigttext besonders wichtig geworden, nämlich:


  1. Jesus schert sich nicht um Konventionen
  2. Das Prinzip von Fordern und Fördern
  3. Wir haben die Quelle, deren Wasser
    ewiges Leben schenkt

 

1. Jesus schert sich nicht um Konventionen

L: Die Begegnung Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen wirkt zunächst unspektakulär. Da sitzt ein durstiger Mann bei sengender Mittagshitze an einem Brunnen und bittet eine hinzukommende Frau ihm etwas zu trinken zu geben.

S: Richtig. Man hat den Eindruck, hier wird eine Alltagssituation geschildert. Zwei Menschen treffen zufällig aufeinander, wie millionenfach tagtäglich, überall auf der Welt, und der eine bittet den anderen um etwas, z.B. um Feuer für seine Zigarette, eine Auskunft zum Weg oder dergleichen. 

L: Das Spektakuläre tritt erst zu Tage, wenn man die geschilderte Begegnung im historischen Kontext der damaligen Zeit sieht. Das Ansprechen einer Samariterin war eine doppelte Verletzung aller Anstandsregeln: Zunächst durfte ein Mann damals überhaupt keine Frau ansprechen und die Frau durfte sich auch nicht ansprechen lassen. Und dann stammte die Frau auch noch aus Samarien, einem Teil Israels, in dem Menschen wohnten, die einen anderen Glauben hatten als die Juden, also letztlich Heiden waren. Mit solchen Leuten durfte ein frommer Rabbi, wie Jesus einer war, schon gar nicht reden. Ein frommer Jude wäre damals bei einer Reise von Jerusalem zurück nach Galiläa lieber einen Umweg gegangen, als durch das Hochland von Samarien zu ziehen.

S: Jesus hält sich nicht an solchen Konventionen. Er stellt gesellschaftliche Tabus in Frage und setzt sich darüber hinweg. Um die Begegnung der Frau mit Jesu in diesem Sinne zu ermessen, muss man die Provokation die darin liegt erkennen. Erkennen wir sie, wenn wir uns heute vielleicht eine entsprechende Begegnung und Unterhaltung zwischen Jesu und einem Stricher vorstellen? Stricher leben am äußersten Rand unserer Gesellschaft. Ihr Leben ist geprägt von Diskriminierung, gesellschaftlicher Verachtung, Sucht, Gewalttätigkeit und Verwahrlosung. Hinzu kommen sexuelles Ausgebeutetwerden, Wohnsitzlosigkeit, Hunger und soziale Kontaktarmut. In der Person der Samariterin von damals können wir durchaus einen Stricher von heute erkennen. 

L: Und was zeigt uns in diesem Zusammenhang das Beispiel Jesu? Für uns als Christen gilt: Auch wenn es vielleicht nicht einfach ist, sollen wir den Weg durch Samarien gehen, d.h. dort hin gehen, wo die Bedürftigen sind. Konventionen und Tabus sollen uns davon nicht abhalten. Und ein Weiteres: Auch schlichte Alltagssituationen können zu Wendepunkten des Lebens werden.

 

2. Das Prinzip von Fordern und Fördern

S: Ich möchte, dass wir uns den Gesprächsverlauf zwischen Jesus und der Frau nochmals kurz vergegenwärtigen: Auf die Bitte, ihm etwas zu Trinken zu geben, folgt die Verwunderung der Frau über die Ansprache durch Jesus. Anknüpfend an das Thema Wasser lenkt Jesus das Gespräch anschließend auf eine vollkommene andere Ebene, in ein theologisches Gespräch und verwendet hierbei schöne, aber auch nicht auf Anhieb verständliche Begriffe und Metaphern, wie z.B. "lebendiges Wasser." 

L: Ja, das hat mich an diesem Gespräch auch sehr überrascht. Ich finde, dass die Frau keineswegs dumm oder unverständig reagiert. Ich glaube, mir wäre es in einer vergleichbaren Situation nicht anders gegangen. Man hat fast den Eindruck, Jesu gibt der Frau bewusst Rätsel auf. Ihre Antworten machen deutlich, dass sie Jesus bei seinen Ausführungen nicht wirklich versteht. Mangels anderer Gesprächsteilnehmer steht ihr noch nicht einmal ein Publikumsjoker zur Verfügung. Hätte man nicht eher von Jesus erwarten können, dass er mit der Frau so spricht, dass sie es wirklich versteht oder verstehen kann, was er meint? Überfordert Jesus die Frau nicht vollkommen?

S: Ich finde, dass Jesus die Frau nicht überfordert. Er leitet das Gespräch sehr bewusst, sogar an der Stelle, wo er auf die persönlichen Lebensumstände der Frau und ihre fünf Männer zu sprechen kommt. Jesus geht das Gespräch mit der Frau zielorientiert an. Für Ihn ist klar, Ziel des Gesprächs soll die Selbsterkenntnis der Frau sein, Jesus ist der Gesalbte, der Christus. Das Eingehen auf die Lebensumstände der Frau, d.h. das Abholen der Frau, wo sie steht und wo ihre unstillbaren Bedürfnisse liegen, geht einher mit der intellektuellen Herausforderung, dem Gespräch mit Jesus folgen zu können. Eigentlich gibt uns Jesus in diesem Gespräch ein gelungenes Beispiel für das Prinzip von Fordern und Fördern.

L: Und damit ist es auch ein Beispiel für die Arbeit unserer ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter mit den Jungs auf der Straße und in der Anlaufstelle. Wenn man die Jungs schlicht in Zuckerwatte packt ist ihnen wenig geholfen. Die Zuckerwatte hält nicht auf Dauer, so wie der herkömmliche Durst nicht auf Dauer gestillt werden kann. Die Aufgabe liegt darin, dass die Jungs den Weg aus ihrer prekären Situation heraus selbst finden. Das Bedürfnis hierzu und Hilfestellungen können wir dafür geben. Den Weg gehen wollen und ihn schließlich gehen, müssen sie aber selbst. Vom Ziel her gesehen können wir dann erkennen, ob das Prinzip von Fordern und Fördern ausgewogen war, oder nicht.

Und nun noch ein dritter Gedanke:

 

3. Wir haben die Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt

S: Für uns Christen liegt im Vers 15 eine unglaubliche Verheißung Jesu. Dort heißt es: "Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt."

L: Ja, ich glaube man kann den Satz in seiner Tragweite kaum ermessen. Wir Christen haben Teil am lebendigen Wasser Jesu. Unser Lebensdurst ist hierdurch gestillt. Durch die Quelle in uns werden wir aber  auch zu Aquädukten für das durch uns fließende "lebendige Wasser" für andere. Der Ausdruck "sprudelnde Quelle" hat dabei etwas überaus Beruhigendes, denn diese "sprudelnde Quelle" wird nicht versiegen, solange wir unseren Lebensdurst bei Christus stillen. Und so wünsche ich mir, dass wir immer wieder einen kräftigen Schluck von diesem "lebendigen Wasser" selbst nehmen – es ist reichlich da – und mit unseren im Übrigen geschenkten Gaben dort hin gehen, wo der ungestillte Lebensdurst noch besteht. Das sind die ungezählten Jakobsbrunnen unserer Zeit. Auch die Stricher in Stuttgart finden wir dort.

Amen.



Stand:31.03.2011


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