Alt-Katholische Kirchengemeinde Stuttgart |
3. Sonntag der österlichen Bußzeit A (2011) Ansprache zu
Johannes
4,
5-19;25-26, L: Liebe
Gemeinde, der Bitte, das Projekt "Café Strich-Punkt" im Rahmen des heutigen Diakoniesonntags vorzustellen und auch eine Ansprache zum heutigen Evangelium zu halten, sind wir sehr gerne nachgekommen. Überrascht waren wir bei der Vorbereitung, wie viel der heutige Predigttext mit der Arbeit unseres Vereins zu tun hat. Drei Gesichtspunkte sind uns zum Predigttext besonders wichtig geworden, nämlich:
1. Jesus schert sich
nicht um Konventionen L: Die Begegnung
Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen wirkt zunächst unspektakulär. Da
sitzt ein
durstiger Mann bei sengender Mittagshitze an einem Brunnen und bittet
eine
hinzukommende Frau ihm etwas zu trinken zu geben. S: Richtig. Man
hat den Eindruck, hier wird eine Alltagssituation geschildert. Zwei
Menschen
treffen zufällig aufeinander, wie millionenfach tagtäglich, überall auf
der
Welt, und der eine bittet den anderen um etwas, z.B. um Feuer für seine
Zigarette, eine Auskunft zum Weg oder dergleichen. L: Das
Spektakuläre tritt erst zu Tage, wenn man die geschilderte Begegnung im
historischen Kontext der damaligen Zeit sieht. Das Ansprechen einer
Samariterin
war eine doppelte Verletzung aller Anstandsregeln: Zunächst durfte ein
Mann
damals überhaupt keine Frau ansprechen und die Frau durfte sich auch
nicht
ansprechen lassen. Und dann stammte die Frau auch noch aus Samarien,
einem Teil
Israels, in dem Menschen wohnten, die einen anderen Glauben hatten als
die
Juden, also letztlich Heiden waren. Mit solchen Leuten durfte ein
frommer
Rabbi, wie Jesus einer war, schon gar nicht reden. Ein frommer Jude
wäre damals
bei einer Reise von Jerusalem zurück nach Galiläa lieber einen Umweg
gegangen,
als durch das Hochland von Samarien zu ziehen. S: Jesus hält
sich nicht an solchen Konventionen. Er stellt gesellschaftliche Tabus
in Frage
und setzt sich darüber hinweg. Um die Begegnung der Frau mit Jesu in
diesem
Sinne zu ermessen, muss man die Provokation die darin liegt erkennen.
Erkennen
wir sie, wenn wir uns heute vielleicht eine entsprechende Begegnung und
Unterhaltung zwischen Jesu und einem Stricher vorstellen? Stricher
leben am
äußersten Rand unserer Gesellschaft. Ihr Leben ist geprägt von
Diskriminierung,
gesellschaftlicher Verachtung, Sucht, Gewalttätigkeit und
Verwahrlosung. Hinzu
kommen sexuelles Ausgebeutetwerden, Wohnsitzlosigkeit, Hunger und
soziale
Kontaktarmut. In der Person der Samariterin von damals können wir
durchaus
einen Stricher von heute erkennen. L: Und was zeigt
uns in diesem Zusammenhang das Beispiel Jesu? Für uns als Christen
gilt: Auch
wenn es vielleicht nicht einfach ist, sollen wir den Weg durch Samarien
gehen,
d.h. dort hin gehen, wo die Bedürftigen sind. Konventionen und Tabus
sollen uns
davon nicht abhalten. Und ein Weiteres: Auch schlichte
Alltagssituationen
können zu Wendepunkten des Lebens werden. 2. Das Prinzip
von Fordern und Fördern S: Ich möchte,
dass wir uns den Gesprächsverlauf zwischen Jesus und der Frau nochmals
kurz
vergegenwärtigen: Auf die Bitte, ihm etwas zu Trinken zu geben, folgt
die
Verwunderung der Frau über die Ansprache durch Jesus. Anknüpfend an das
Thema
Wasser lenkt Jesus das Gespräch anschließend auf eine vollkommene
andere Ebene,
in ein theologisches Gespräch und verwendet hierbei schöne, aber auch
nicht auf
Anhieb verständliche Begriffe und Metaphern, wie z.B. "lebendiges
Wasser." L: Ja, das hat
mich an diesem Gespräch auch sehr überrascht. Ich finde, dass die Frau
keineswegs dumm oder unverständig reagiert. Ich glaube, mir wäre es in
einer
vergleichbaren Situation nicht anders gegangen. Man hat fast den
Eindruck, Jesu
gibt der Frau bewusst Rätsel auf. Ihre Antworten machen deutlich, dass
sie
Jesus bei seinen Ausführungen nicht wirklich versteht. Mangels anderer
Gesprächsteilnehmer steht ihr noch nicht einmal ein Publikumsjoker zur
Verfügung. Hätte man nicht eher von Jesus erwarten können, dass er mit
der Frau
so spricht, dass sie es wirklich versteht oder verstehen kann, was er
meint? Überfordert
Jesus die Frau nicht vollkommen? S: Ich finde,
dass Jesus die Frau nicht überfordert. Er leitet das Gespräch sehr
bewusst,
sogar an der Stelle, wo er auf die persönlichen Lebensumstände der Frau
und
ihre fünf Männer zu sprechen kommt. Jesus geht das Gespräch mit der
Frau
zielorientiert an. Für Ihn ist klar, Ziel des Gesprächs soll die
Selbsterkenntnis
der Frau sein, Jesus ist der Gesalbte, der Christus. Das Eingehen auf
die
Lebensumstände der Frau, d.h. das Abholen der Frau, wo sie steht und wo
ihre
unstillbaren Bedürfnisse liegen, geht einher mit der intellektuellen
Herausforderung, dem Gespräch mit Jesus folgen zu können. Eigentlich
gibt uns
Jesus in diesem Gespräch ein gelungenes Beispiel für das Prinzip von
Fordern
und Fördern. L: Und damit ist
es auch ein Beispiel für die Arbeit unserer ehren- und hauptamtlichen
Mitarbeiter mit den Jungs auf der Straße und in der Anlaufstelle. Wenn
man die
Jungs schlicht in Zuckerwatte packt ist ihnen wenig geholfen. Die
Zuckerwatte
hält nicht auf Dauer, so wie der herkömmliche Durst nicht auf Dauer
gestillt
werden kann. Die Aufgabe liegt darin, dass die Jungs den Weg aus ihrer
prekären
Situation heraus selbst finden. Das Bedürfnis hierzu und
Hilfestellungen können
wir dafür geben. Den Weg gehen wollen und ihn schließlich gehen, müssen
sie
aber selbst. Vom Ziel her gesehen können wir dann erkennen, ob das
Prinzip von
Fordern und Fördern ausgewogen war, oder nicht. Und nun noch ein
dritter Gedanke: 3. Wir haben die
Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt S: Für uns
Christen liegt im Vers 15 eine unglaubliche Verheißung Jesu. Dort heißt
es: "Wer
von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst
haben;
vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden
Quelle
werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt." L: Ja, ich glaube
man kann den Satz in seiner Tragweite kaum ermessen. Wir Christen haben
Teil am
lebendigen Wasser Jesu. Unser Lebensdurst ist hierdurch gestillt. Durch
die
Quelle in uns werden wir aber auch zu
Aquädukten für das durch uns fließende "lebendige Wasser" für andere.
Der Ausdruck "sprudelnde Quelle" hat dabei etwas überaus
Beruhigendes, denn diese "sprudelnde Quelle" wird nicht versiegen,
solange wir unseren Lebensdurst bei Christus stillen. Und so wünsche
ich mir,
dass wir immer wieder einen kräftigen Schluck von diesem "lebendigen
Wasser" selbst nehmen – es ist reichlich da – und mit unseren im
Übrigen
geschenkten Gaben dort hin gehen, wo der ungestillte Lebensdurst noch
besteht.
Das sind die ungezählten Jakobsbrunnen unserer Zeit. Auch die Stricher
in
Stuttgart finden wir dort. Amen.
Stand:31.03.2011 |
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