Alt-Katholische Gedanken zum Papstwechsel in Rom

{Die Kirche von Rom hat einen neuen Bischof}
Es war das Medienereignis schlechthin. Und es stellte alle anderen Ereignisse in den Schatten. Sowohl das Sterben Johannes Pauls II. und die Abschiedszeremonien anlässlich seines Todes als auch die Wahl und Einsetzung seines Nachfolgers bestimmten weltweit die Fernsehprogramme. Millionen Menschen zog es darüber hinaus persönlich nach Rom, unter ihnen viele Angehörige anderer Kirchen und Religionen. Mit einem Mal und gleich für mehrere Wochen war das Papsttum Gesprächsthema Nummer eins. Dabei waren kritische Töne kaum zu hören.

Umso stärker wurde dafür gejubelt: dem verstorbenen Papst in Anerkennung seines festen Glaubens, der vielen Orientierung in unsicheren und wankelmütigen Zeiten bedeutete, und dem neuen Papst, weil er für Kontinuität steht und somit auch weiterhin Orientierung verspricht. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Römische Kirche erfreue sich, so wie sie sich darstellt, großer Zustimmung und das Papsttum genieße weit über die Grenzen der Konfessionen hinaus Anerkennung.

Eine differenziertere Sicht tut hier wohl not. Dabei versteht es sich von selbst, dass Papst Johannes Paul unseren Respekt verdient, auch wenn er das alt-katholische Verständnis von katholischer Kirche nicht geteilt hat. Mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, mit seiner Kritik an unglücklich verlaufenden gesellschaftlichen Entwicklungen und mit seiner Offenheit, mit der er den anderen Religionen begegnete, bewegte er nicht nur die Menschen seiner Kirche, sondern viele andere weit darüber hinaus. So strittig es sein mag, dass ein alter, schwer erkrankter Mann eine Leitungsfunktion dieser Größenordnung innehat, ohne sich einen Rücktritt zuzugestehen, so unbestritten ist, was er dadurch erreicht hat: dass eine auf jugendliche Kraft setzende Gesellschaft nachdenklich wird und sich fragt, ob es wirklich so gut ist, die Älteren und Alten ins Abseits zu drängen, und dass kranke, vor allem schwer und unheilbar erkrankte Menschen sehen: Auch dann kann mein Leben noch Sinn machen; auch dann bin ich mehr als nur ein kranker Mensch.

Mit Recht findet ein solches Glaubenszeugnis Anerkennung. Doch darf uns das nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass Johannes Paul innerkirchlich einen Kurs gefahren hat, der keinen Zweifel an seiner Verwurzelung auch in der Kirchenlehre des ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) gelassen hat. Entschlossen bekräftigte er gemeinsam mit seiner Kurie die zentrale Rolle des Apostolischen Stuhls und festigte die Autorität des Lehramtes. Auch wenn er wie kein Papst zuvor das Gespräch mit den anderen Kirchen suchte, tat er das mit einem gewissen Führungsanspruch, der den Eindruck erweckte: Kirchengemeinschaft wird es nur geben, wenn die anderen Kirchen sich bewegen, nicht die römische.

Viele Mitglieder der Kirche Roms litten unter dieser Amtsführung. Kirchenvolksbewegungen listeten die wichtigsten Reformanliegen auf. Gegenseitig machte man sich Hoffnung auf einen neuen Papst. Ob Joseph Ratzinger diese Hoffnungen erfüllt? Selbst wenn er über seinen über Jahrzehnte gewachsenen theologischen Horizont spränge, würde das die alt-katholischen Anfragen an die Römische Kirche nicht berühren. Diese nämlich sind grundlegender und begnügen sich nicht mit einzelnen Reformen, wie sie sich die voranstrebenden Rom-Katholiken wünschen. Halten wir bei dieser Gelegenheit ruhig einmal fest, dass der Papst nach alt-katholischem Verständnis in erster Linie Bischof von Rom ist. Zwar gestand die alte Kirche, auf die wir Alt-Katholiken uns berufen, dem römischen Bischof eine Repräsentations- und Führungsrolle zu, aber nicht, weil er kraft göttlichen Willens Nachfolger des Apostelfürsten Petrus war, sondern weil Rom Hauptstadt des damaligen Römischen Reichs war. Vollmachten waren mit dieser Rolle nicht verbunden; der Bischof von Rom war erster unter gleichen.

Alt-Katholiken werden deshalb stets Probleme damit haben, wenn reformfreudige Rom-Katholiken ihre Hoffnung auf einen anderen Papst setzen. Indirekt bejahen diese so seinen Vorrang gegenüber den Ortsbischöfen, die sie eigentlich gern gestärkt sähen. Reformen, das zeigt die alt-katholische Bewegung deutlich, sind nur möglich, wenn sie „von unten“, sprich von der Basis – und die ist in den Ortskirchen, nicht in der römischen Zentrale präsent – ausgehen. Dass es in den alt-katholischen Kirchen keine Zölibatsverpflichtung mehr gibt, dass – auch in der Besetzung von Ämtern – Frauen und Männer gleichberechtigt sind, dass ökumenisches Bemühen zu Kirchengemeinschaft oder, wenn dies noch nicht möglich ist, wenigstens zur Gastbereitschaft am Tisch des Herrn führt, sind Ergebnisse synodaler Prozesse, wie sie in der alten Kirche üblich waren und – mit Ausnahme der Kirche Roms – von allen Kirchen mehr oder weniger praktiziert werden.

Auch wenn in den vergangenen Wochen alle Welt nach Rom geschaut hat und Zeremonien wie der Einzug ins Konklave, der Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle oder die Verkündigung „Habemus Papam“ zum Medienereignis wurden: Die Anfragen an die Verfassung der Römischen Kirche und an die so genannten Papstdogmen von 1870 samt der kurz zuvor und achtzig Jahre später vom Papst allein verkündeten Dogmen bleiben. Mit Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger wird daran wohl nicht gearbeitet werden. Gleichwohl gelten ihm als Bischof von Rom unsere Glück- und Segenswünsche, verbunden mit der Hoffnung, dass er das Gespräch mit den anderen Kirchen weiterpflegt – vielleicht etwas partnerschaftlicher und in Augenhöhe.
Joachim Pfützner