„Ihr habt gar keine Beichtstühle in euren Kirchen! Wird bei den Alt-Katholiken nicht gebeichtet?“ Immer wieder kommt diese Frage auf. So wie von alt-katholischer Seite gelegentlich zu hören ist: „Wir haben keine Beichte.“ Natürlich ist das ein Missverständnis. Aber eines, das sich leicht nachvollziehen lässt. Denn die erste Synode der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland hob im Rahmen eines größeren Reformpakets unter anderem die Verpflichtung zur regelmäßigen Ohrenbeichte auf. Sie nahm damit ernst, was damals viele Katholiken quälte: nahezu unzumutbar gewordene Zustände im Umfeld des Bußsakraments, denen sich kaum jemand zu entziehen vermochte. Doch das Bußsakrament selber, das zu den sieben Sakramenten gehört, blieb selbstverständlich bestehen. Die Synodenabgeordneten und Seelsorger forderten aber zu einer angemessenen Neugestaltung dieses oft missverstandenen Sakramentes auf. Dazu gehörte unter anderem die Entscheidung, es nicht nur in Form eines persönlichen Gesprächs, der „Ohrenbeichte“ zu feiern, sondern auch im Rahmen allgemeiner Bußfeiern der Gemeinde. Diese Praxis besteht bis heute. Neben der grundsätzlichen Möglichkeit, sich mit den Priestern zu einem Seelsorge- bzw. Beichtgespräch zu verabreden, finden in unserer Gemeinde besonders gestaltete Bußfeiern vor allem innerhalb der Bußzeiten statt: der Adventszeit und der österlichen Bußzeit.
In seinem Kern verkündet uns das Bußsakrament, das vielfach auch „Sakrament der Versöhnung“ genannt wird, Gottes unwiderrufliche Treue. Auch wenn unsere Beziehung zu ihm Verletzungen oder gar Brüche erfahren hat, steht er entschieden zu uns – eine Erfahrung, die wir im zwischenmenschlichen Bereich nur äußerst selten machen. Da erleben wir eher, wie schwierig oder gar unmöglich es ist, verletzte und zerbrochene Beziehungen zu versöhnen. Zum Wesen Gottes gehört es aber, um jeden Preis unsere Nähe zu suchen. Jesus hat uns das vor Augen geführt. Gerade diejenigen waren ihm wichtig, die in dem Ruf standen, aus der Gemeinschaft des Gottesvolkes und damit aus der Gottesbeziehung herausgefallen zu sein. „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt“, sagte er den religiösen Führern, die sein Verhalten kritisierten, „sondern die Kranken.“ Also ging er auf die Außenseiter und die Ausgegrenzten zu. Und auch auf die Kranken. Denn man glaubte damals, Krankheit sei eine Strafe Gottes. Indem Jesus ihnen die Liebe und Nähe Gottes verkündete, indem er sie bewusst und nicht selten gegen den Widerstand seiner Kritiker wieder in die Gemeinschaft eingliederte, machte er diesem irrtümlichen Denken ein Ende. Mit seiner Vergebungszusage und seinen heilenden Aspekten ist das Bußsakrament ein äußerst hilfreiches Sakrament, dem eigentlich mehr Aufmerksamkeit zustände, als ihm zuweilen geschenkt wird.