Mit den Perlen des Glaubens durch die Advents- und Fastenzeit
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Stundengebet
im Alltag

{Mit den Perlen des Glaubens durch die Advents- und Fastenzeit}

Ein Kurspaket für alle, die Alltag und Glaubensleben stärker verbinden möchten oder die ganz allgemein Zugänge zum christlichen Glauben suchen

Bestehend aus:
  • vier Besinnungstagen und
  • thematischen Predigten an den Advents- und Fastensonntagen

Termine der Besinnungstage:

  • Samstag, 19.11.2011, 10-15 Uhr: Einführung in die Perlen des Glaubens
  • Samstag, 17.12.2011, 10-15 Uhr: Die Perlen des Glaubens im Alltag
  • Samstag, 25.02.2012, 10-15 Uhr: Wüste und Stille
  • Samstag, 31.03.2012, 10-15 Uhr: Taufe

Predigtthemen über die Bedeutung der Perlen des Glaubens:


Wikipedia: Perlen des Glaubens





{Predigt über die Gottesperle}

am 1. Adventssonntag, 27.11.2011

Wegen der Erstkommunionvorbereitung, die an diesem Tag begonnen hat, ist die Predigt so gehalten, dass sie auch von den Kindern verstanden wird.

Biblische Grundlage: Jesaja 63,16b-17.19b; 64,1-7 (Erste Lesung des 1. Adventssonntages der Lesereihe B)

Liebe Kommunionkinder und alle anderen in der Kirche, liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Adventszeit – Lichterzeit. Ohne Lichter wäre es eine dunkle Zeit. Schon deshalb, weil in dieser Zeit die Tage kürzer und die Nächte länger sind. Wir brauchen also das Licht, um das auszugleichen.

Ich habe hier eine Perle mitgebracht: eine goldene Perle. Sie hat etwas mit Licht zu tun. Denn Gold ist eine leuchtende Farbe. Und Gold ist auch etwas, das im Schein eines Lichtes glänzt. Wir können das mal mithilfe eines Kelches ausprobieren... Das ist etwas ganz Herrliches. Genauso herrlich ist es, wenn – vor allem morgens – die Sonne scheint: Da kann eine Landschaft oder auch ein Dorf und eine Stadt plötzlich wunderschön aussehen – ein Glanz legt sich dann darüber. Und wir sagen manchmal: „Die Welt sieht anders aus im Licht der Sonne.“ Oder: „Morgen (und das bedeutet, wenn die Sonne wieder scheint) sieht die Welt wieder ganz anders aus.“ Wir sagen das, wenn jemand traurig und verzweifelt ist – ein Wort des Trostes.

So einen Trost scheinen die Menschen der Bibel (ich denke an die Lesung aus dem Propheten Jesaja) auch nötig gehabt zu haben. Wenn man den Text liest oder hört – es ist übrigens ein Gebet, ein Reden mit Gott – spürt man richtig, wie traurig und verzweifelt diese Menschen sind. Und wie verlassen sie sich vorkommen. Von Gott verlassen.

Die goldene Perle, die ich heute mitgebracht habe, wird „Gottesperle“ genannt. Ihr goldenes Aussehen sagt uns: Gott ist Licht, und er bringt Licht in unsere dunkle Welt. Und unsere Welt ist dunkel, wenn wir traurig und verzweifelt sind, so wie die Menschen der Bibel, von denen uns heute in der Lesung erzählt wird. In ihrer Not suchen sie Gott. „Reiß doch den Himmel auf!“ rufen sie zu ihm. Denn der Himmel kommt ihnen verschlossen vor – das heißt: Gott ist für sie nicht mehr erfahrbar; er ist nicht mehr da. Und weil Gott Licht ist, sie aber dieses Licht nicht leuchten sehen, kommt ihnen ihre Welt dunkel vor. „Reiß doch den Himmel auf!“ – das bedeutet: Lass das Licht deiner Gegenwart doch wieder leuchten! Es wird die dunklen Wolken wegschieben. Es wird unsere Welt und unser Leben wieder glänzen lassen.

Danach sehnen sich die Menschen der Bibel. In ihrem Beten merken sie aber auch, warum sie die leuchtende Gegenwart Gottes nicht wahrnehmen. Warum sie den Himmel als verschlossen erleben. Und hier können wir etwas von ihnen lernen. „Niemand ruft deinen Namen an“, stellen sie fest. „Keiner rafft sich dazu auf, festzuhalten an dir.“ Das heißt: Die Menschen leben gar nicht mehr mit Gott; er spielt keine Rolle mehr für sie. Und auch das, was Gott wichtig ist für ein glückliches Leben aller Menschen – auch darum kümmert sich kaum noch jemand. „Unsere Gerechtigkeit“, sagen sie, „ist wie ein schmutziges Kleid… treulos sind wir geworden.“ Wenn Gott im Leben der Menschen keine Rolle spielt, wenn niemand sich um seine Weisungen und Anliegen kümmert, dann ist das so, als gäbe es ihn nicht mehr. Dann ist die Welt plötzlich dunkel. Und alle Not scheint plötzlich wie eine Klage zu wirken, die sagen möchte: Schaut, wie verlassen diese Welt ist!
Wenn wir das anders haben wollen, muss nicht Gott sich ändern – er ist immer schon da, gar nie ist er weg – sondern wir müssen uns ändern. Wir müssen Gott wieder reinlassen in unser Leben und in unsere Welt. Nicht der Himmel muss sich öffnen – der ist immer schon offen – sondern wir müssen uns öffnen. Öffnen für Gott. Die Menschen der Bibel beten: „Er tut denen Gutes, die auf ihn hoffen.“ Die ihn also reinlassen in ihr Leben. Die darauf vertrauen, dass er immer schon da ist – verlässlich da ist.

Die Gottesperle gehört zu einem ganzen Perlenband; sie ist eine von insgesamt achtzehn Perlen, die alle eine Bedeutung haben – ich werde sie in nächster Zeit nach und nach erklären. Ich ziehe die Gottesperle deshalb jetzt auf das Perlenband auf… Sie ist nun umgeben von je einer länglichen Perle, die Perle der Stille heißt. Und dann von weißen Perlen, auf der einen Seite die Ich-Perle und direkt daneben die Tauf-Perle, auf der anderen Seite die Perle der Auferstehung. Dass die Ich-Perle nicht direkt neben der Gottesperle liegt, sondern dazwischen eine Perle der Stille ist, zeigt, dass die Stille ein wichtiger Weg ist, Gott zu finden. Die Adventszeit ist eine stille Zeit, eine Zeit der Sehnsucht nach Gott. Sie ist allerdings nur dann eine stille Zeit, wenn wir Stille in sie reinlassen und sie nicht füllen mit all den anderen Dingen. Lassen wir die Stille aber zu, dann tun wir bereits Schritte auf Gott zu und wir dürfen darauf vertrauen, dass er uns seinerseits entgegenkommt. Je mehr wir so aufeinander zugehen – wir Menschen auf Gott und Gott auf uns Menschen – desto mehr weicht die Dunkelheit zurück. Desto mehr leuchtet in ihr das Licht der Gegenwart Gottes. Und desto mehr können wir spüren, dass der Himmel offen ist und die Welt etwas abbekommt von seinem Glanz.

Amen.

(Joachim Pfützner)





{Predigt über die Ich-Perle}

am 2. Adventssonntag, 04.12.2011

An diesem Sonntag war Familiengottesdienst; deshalb wurden die anwesenden Kinder in die Predigt mit einbezogen.

Biblische Grundlage: Markus 1,1-8 (Evangelium des 2. Adventssonntags der Lesereihe B)

Liebe Kinder und alle anderen in der Kirche,
liebe Schwestern und Brüder in Christus!

„Nach mir kommt einer, der stärker ist als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren.“ Wer so etwas sagt, hat offensichtlich keine hohe Meinung von sich. Würde es jemand auf dem Schulhof sagen, würden ihn viele sicherlich als Schwächling ansehen.

Ich habe heute wieder eine Perle mitgebracht – diesmal eine weiße. Das Weiß soll uns daran erinnern, wie so eine Perle entsteht… Ein Sandkorn gelangt in eine Muschel und lagert sich in ihrem weichen Inneren ein. Um sich zu schützen, bildet die Muschel Perlmutt. Nach etwa zwanzig Jahren ist eine einzigartige Perle gewachsen. Natürlich passiert das nicht mit jeder Muschel. Unter Tausenden findet sich oft nur eine einzige mit einer Perle. Alle diese Muscheln liegen auf dem Meeresgrund, und es ist sehr schwierig, in der Tiefe nach ihnen zu suchen und sie zu bergen. An alledem können wir erkennen, wie kostbar so eine Perle ist – ein wahrer Schatz.

Die Perle, die ich mitgebracht habe, trägt den Namen „Ich-Perle“. Und ihre erste Botschaft an mich ist: Du bist so einzigartig und so kostbar wie eine Perle. Ob mir das bewusst ist? Wissen kann ich das nur, wenn es mir jemand sagt. Oder besser noch: Wenn mich das jemand spüren lässt. Das können meine Eltern sein, meine Geschwister und andere Familienmitglieder. Es können unsere Partner und Partnerinnen sein. Und nicht zuletzt unsere Freunde und Freundinnen, aber auch Nachbarn und Arbeitskollegen, ja sogar unsere Vorgesetzten oder irgendein fremder Mensch: Sie alle – jede und jeder auf eigene Weise – können mich wissen und spüren lassen: Du bist ein Schatz. Du bist einzigartig. Du bist liebenswert. Du bist wichtig.

Daran erinnert mich die Ich-Perle. Aber das ist nicht ihre einzige Botschaft. Sie sagt mir noch etwas anderes, ebenso wichtiges. Sie sagt mir, dass auch Gott mich als Schatz sieht. Dass auch er mich einzigartig findet und mich unendlich liebt. Eigentlich sollten wir das wissen. Und doch denken wir viel zu selten daran. Die Ich-Perle kann mir helfen, das zu ändern. Ich ziehe sie deshalb nun auf das Band der Perlen des Glaubens auf…

Unter ihnen ist die Ich-Perle eine ganz wichtige Perle. Wenn wir das ganze Perlenband betrachten, sehen wir: Die erste Perle ist die goldene Gottesperle. Dann folgt eine längliche Perle der Stille. Und dann schon folgt die Ich-Perle. Es ist die Stille, die mich mit Gott verbindet. Eine Stille des Nachdenkens. Und des sich Erinnerns. So wie wir gerade nachdenken und uns erinnern. Und zu dieser Erinnerung gehört, finde ich, die Schöpfungsgeschichte der Bibel. In ihr wird erzählt, wie Gott den Menschen – also auch mich – geschaffen hat: aus feuchtem Ackerboden hat er mich geformt, und seinen Lebensatem hat er mir in die Nase geblasen. Die Bibel sagt: „So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Genesis 2,4b-7). Es wird auch erzählt, wie Gott Himmel und Erde schafft, Pflanzen und Tiere, Tag und Nacht, und dass das alles für den Menschen bestimmt ist. Der Mensch als „Krone der Schöpfung“. Die Bibel sagt: „Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ Und einen Auftrag gab er ihnen; er machte Mann und Frau zu seinen Partnern. Und alles, was er geschaffen hatte, schaute er liebevoll an – alles, auch den Menschen, Mann und Frau: „Es war sehr gut“ (Genesis 1,1 – 2,4a).

Die Ich-Perle sagt mir: Vergiss das nicht! In Gottes Augen bin ich sehr gut. In Gottes Augen bin ich sein Partner, seine Partnerin, ich trage Mitverantwortung an dieser Welt. Und ich bin als Gottes Abbild geschaffen; ich spiegle durch mein Leben etwas wider vom Glanz der Gegenwart Gottes. Das heißt: Eigentlich müsste man in uns Menschen immer etwas spüren von Gottes Dasein. Er ist da in dieser Welt vor allem durch uns. Durch mich. Das ist es, was mich wertvoll macht. Das ist es, was mir Würde gibt. Aber das hat auch zur Folge, dass ich das, was ich bin, auch in den anderen sehe: Auch sie sind kostbar; auch sie tragen die Würde in sich, Abbild Gottes zu sein; auch in ihnen spiegelt sich etwas wider von seinem Glanz. Deshalb können wir uns gegenseitig auch nur mit ganz viel Hochachtung begegnen.

Die Frage ist, ob wir das immer tun. Sicher nicht. Unsere Welt leidet darunter, dass Menschen eher das Gegenteil tun: Dass sie sich gegenseitig weh tun, dass sie sich bekriegen und ungerecht behandeln. Wäre ihnen klar, welche Würde sie haben und welche Würde ebenso die anderen haben, wäre ihnen klar, woher diese Würde kommt – nämlich von Gott, der uns als sein Abbild geschaffen hat – dann könnte vieles anders gehen. Dann wären viele Menschen auch zufriedener und glücklicher. Die Perlen des Glaubens wollen uns dabei helfen, diese Zufriedenheit und dieses Glück wiederzufinden. Sie sind dann ein bisschen so, wie Johannes, von dem wir im Evangelium heute gehört haben. Sie sind wie Boten, wie Hinweise. Sie weisen uns auf Gott hin, auf die Stille, die wir brauchen, um an ihn zu denken, und, mit der Ich-Perle, auf uns selbst und darauf, wer jede und jeder von uns ist: Geschöpf Gottes, in dem etwas sichtbar wird von Gottes Gegenwart, und damit Partner/Partnerin Gottes in dieser Welt.

Amen.

(Joachim Pfützner)





{Predigt über die Tauf-Perle}

am 3. Adventssonntag, 11.12.2011

Biblische Grundlage: Jesaja 61,1-2a.10-11

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

„Kleider machen Leute“ – sagt der Volksmund. Und er hat Recht. Wenn ich gelegentlich morgens früh zur Pastoralkonferenz nach Mannheim fahre, sitzen im Zug die Businessleute: dunkler Anzug oder dunkles Kostüm, weißes Hemd oder weiße Bluse – ich spüre Seriosität und Wichtigkeit. Mindestens zwei meiner Nachbarn verlassen ähnlich gekleidet allmorgendlich ihr Haus. Samstags dagegen und auch sonntags sehe ich sie in Jeans und Pullover, betont lässig. Andere lassen ihre T-Shirts sprechen, und wir erfahren, dass sie humorvoll sind, pazifistisch, die englische Sprache lieben oder einfach locker drauf sind. Und wenn ein besonderer Anlass ansteht, zeigen sich die einen betont konventionell und die anderen betont unkonventionell. Nur: Beim besonderen Anlass geht es im Unterschied zum Business um Identität; ich ziehe etwas an, das zu mir passt, nicht nur äußerlich, sondern auch von meinem Inneren, meinen Einstellungen und Überzeugungen her.

Ich habe heute wieder eine Perle des Glaubens mitgebracht und zeige sie Ihnen gleich im ganzen Perlenband. Sie erinnern sich: Begonnen haben wir oben mit der goldenen Gottes-Perle. Weitergemacht haben wir dann – die längliche Perle der Stille übergehend – mit der kleinen weißen Ich-Perle. Und nun geht es heute um die Perle gleich neben der Ich-Perle: auch sie ist weiß, aber deutlich größer. Das Weiß – davon war schon am vergangenen Sonntag die Rede – erinnert an das Perlmuttfarbene und damit an die Entstehung einer Perle, und so signalisiert diese Farbe Kostbarkeit und Einzigartigkeit. Das Weiß der Tauf-Perle erinnert aber auch an das weiße Taufkleid, in das die meisten von uns bei ihrer Taufe gehüllt worden sind. In der heutigen Lesung klingt an, warum. Da reagiert die Gemeinde Israels mit einem Jubellied darauf, dass für sie eine neue Zeit anbricht. „Denn Gott kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den Mantel der Gerechtigkeit.“

Das Taufkleid als ein Gewand des Heils, als ein Mantel der Gerechtigkeit. Macht ein solches Kleid auch Leute? So weiß, wie es aussieht, sagt es auf jeden Fall eher etwas aus über Festlichkeit als über Heil und Gerechtigkeit. Das heißt: Wenn es von Heil und Gerechtigkeit künden soll, dann durch seinen Träger bzw. seine Trägerin. Bei der Übergabe hieß es schlicht: „Empfange das weiße Kleid als Zeichen der Freude. Du hast in der Taufe Christus angezogen. Bleibe in ihm, und er bleibt in dir.“
 
Freude und in Christus bleiben – darum geht es. Beides hat seinen Ort im Gottesdienst. Und eine Gottesdienstfeier spiegelt sich auch in der heutigen Lesung: das Wort des Propheten als Zusage Gottes („Gott hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe…“) und die Antwort der hörenden Gemeinde in Form eines Jubellieds („Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn…“). Was wie ein Spiel aussehen mag, ist in Wirklichkeit ein äußerst lebendiger Prozess – ein dialogisches Feiern, das, lass ich mich darauf ein, die Freude in mir zu wecken vermag. Wie eine Überschrift steht sie über meinem Leben. Und sie kann selbst dann ihren Ausdruck finden, wenn mich gravierende Sorgen plagen – immerhin ist mir das Heil von Gott selbst verbindlich zugesagt. In Jesus und an Jesus hat es sich bewahrheitet. In jedem Gottesdienst feiern wir das, um es nicht zu vergessen. Wir feiern: Christus in uns und wir in Christus. Wir feiern Heilszeit. Und in unserem Alltag versuchen wir, in tiefer Verbundenheit mit Christus Heil zu wirken, um wie der Prophet in der heutigen Lesung und wie Johannes im heutigen Evangelium der angebrochenen, existierenden Heilszeit Ausdruck zu verleihen. Gott ist mit uns.

So macht auch das Taufkleid Leute. Leute, die wie Propheten Gott erfahrbar machen. Die ihm in dieser Welt eine Stimme geben und durch ihre Hände als handelnden Gott verkünden. Schauen wir noch einmal auf das Perlenband: Im Vergleich zur Ich-Perle ist die Taufperle sehr viel größer. Und sie hat ihren Platz direkt neben der Ich-Perle. Ich deute das so, dass die Taufperle mir Halt gibt. Halt in Situationen, in denen ich mich haltlos fühle. Aber auch Halt, wenn es darum geht, inmitten einer Welt wie der unseren, die so zerrissen ist, so friedlos, so egoistisch, so blind, anschaulich und überzeugend von Gottes Heil zu sprechen, das trotzdem da ist und das Gott so hervorbringt, „wie die Erde die Saat wachsen lässt und der Garten die Pflanzen hervorbringt“. Noch etwas sagt mir die deutlich größere Taufperle: Sie erinnert mich an das Große, das ich durch die Taufe empfangen habe – Christus in mir, ich in Christus; Freude darüber, dass er immer da ist, dass immer Heilszeit ist, dass Gott mein Leben bewahrt und erhält – sogar gegen den Tod. Das alles ist so groß, dass ich es kaum zu fassen vermag. Das alles übersteigt meinen kleinen Verstand. Aber es ist wahr. Und in diese Wahrheit will ich hineinwachsen.

Amen.

(Joachim Pfützner)




{Predigt über die Wüstenperle}

am 4. Adventssonntag, 18.12.2011

Biblische Grundlage: 2. Buch Samuel 7,1-5.8b-12.14a.16 und Lukas 1,26-38

Plötzlich allein, liebe Schwestern und Brüder. Ganz schnell kann das geschehen. Der Partner oder die Partnerin will nicht mehr. Ein Arbeitsverhältnis wird gekündigt. Ein lieber Mensch ist gestorben. Was nun? Ich weiß es nicht. Ich muss ja selbst erst mal verstehen, was da passiert ist. Jemand fragt: „Willst du darüber reden?“ – „Nein, jetzt nicht! Lass mich einfach in Ruhe!“ – Wüstensituation. Allein gelassen sein. Allein sein wollen. Der Mund trocken. Der Verstand auch. Alles öde. Kein Weg in Sicht.

Unter den Perlen des Glaubens, die wir seit dem ersten Adventssonntag betrachten, gibt es eine, die solche Situationen ins Bewusstsein ruft. „Wüsten-Perle“ heißt sie. Nach einer weiteren Perle der Stille folgt sie der Ich- und der Tauf-Perle. Ihre Farbe: sandfarben wie die Perlen der Stille. Ihre Größe gleicht die der Tauf- und der Gottesperle. Ich-Perle und Perlen der Stille dagegen sind kleiner. Wüstensituationen können mich überwältigen. Und sie können auch die Harmonie einer Stille zerstören. Wüstensituationen sind wüst – alles andere als angenehm. Vor allem, wenn ich sie mir nicht ausgesucht habe. Wenn sie plötzlich und unerwartet da sind. Von einem Augenblick zum anderen.

Von der Bibel her fallen mir Leute wie Hagar ein, Abrahams Magd, mit der zusammen er einen Sohn hat, Ismael. Beide verstößt er zugunsten Saras, seiner Frau, und dem gemeinsamen Sohn Isaak. So landen sie in der Wüste. Nicht nur geographisch. Sie landen in der Wüste des Abgeschoben-Werdens, des Im-Weg-Seins. Und wenn Hagar dort aufgibt, verzweifelt den Sohn unter einen Strauch wirft und sich selbst weit genug wegsetzt, um sein Sterben nicht mitansehen zu müssen, dann ist das die totale Aussichtslosigkeit – ich sehe nicht, wie ich da rauskomme; ich bin gefangen in meinem Schicksal, gefangen auch in meiner Einsamkeit. Natürlich endet die Geschichte nicht so. Gott hört Hagars Klage und Ismaels Schreien, er öffnet ihnen die Augen, und sie erblicken einen Brunnen. Das Leben geht weiter. Denn Gott will Ismael zu einem großen Volk machen.

Nicht nur Ismaels Geschichte verheißt Zukunft. Auch die Elijas, des Propheten. Des Lebens überdrüssig, weil alles daneben geht und Elija das Gefühl hat, mehr Schlechtes zu bewirken als Gutes, sucht er die Wüste, um sterben zu können. Er ist ja zu nichts nutze! Aber Gott sendet ihm einen Engel mit Wasser und Brot, und er mutet ihm zu weiterzugehen, vierzig Tage und vierzig Nächte, bis zum Gottesberg Horeb, wo Gott ihm einen neuen Auftrag gibt.

So wüst die Wüste ist, so todbringend sie erscheint – die Bibel erzählt von ihr eben auch als einem Ort der Wandlung: Von der Aussichtslosigkeit in eine verlockende Zukunft, vom Tod in neues Leben. Wenn also nichts mehr zu gehen scheint, dann geht trotzdem etwas, weil Gott es so will. Eine Grundbotschaft der Bibel. Nichts geht mehr für Israel in Ägypten. Nichts für Israel im babylonischen Exil. Nichts für Jesus am Kreuz. Immer aber ist es Gott, der dieses „Nichts geht mehr“ überwindet, indem er einfach da ist – gerade in der Wüste, wo nichts mehr geht. Wobei Wüste auch das Schilfmeer sein kann oder das Kreuz. Und Gott ist da im Brunnen, in Wasser und Brot, in Mose, in den Propheten und in ganz besonderer Weise in Jesus, der sich hingebungsvoll auf alles Menschliche einlässt und sich ebenso hingebungsvoll dem lebendigen, zukunftsvollen Gott anvertraut – es ist der Weg zum Leben trotz aller Bedrohungen, denen es ausgesetzt ist.

Auch die Botschaft des vierten Adventssonntags spricht davon. Sie geht aus von einem völlig deprimierten Israel, einem toten, verdorrten Baumstumpf gleichend. Nichts geht mehr. Und doch bricht aus diesem Baumstumpf ein neuer Trieb hervor. Die Erinnerung an König David wird wach, an glanzvolle Zeiten, in denen das Leben nur so pulsierte. Ob Israel solche Zeiten noch einmal erleben wird? Ob ihm trotz seiner aktuellen misslichen Lage noch einmal Zukunft gegeben wird? Wie hat Gott damals zu David gesprochen? „Dein Haus und dein Königtum sollen durch mich auf ewig bestehen bleiben.“ Hat dieses Wort nicht Gültigkeit über David hinaus? Lebt in ihm nicht die gleiche Botschaft wie in der persönlichen Erfahrung Hagars und Ismaels? Gilt nicht für alle Zeiten und, nach allem, was Israel erfahren hat, in allen Lebenslagen: Gott ist mit uns?

Auf diese Botschaft sollen wir setzen. Grundsätzlich. Überall. Und gerade in wüsten Zeiten. Gerade dann, wenn das Kreuz kommt. König David, der Macher, Siege gewohnt, möchte Gott festnageln in einem Haus – und mit ihm die Botschaft, er ist da, mitten unter uns. Aber Gott verweist David auf die Geschichte. Auf das, was Israel erfahren hat. Auf Tatsachen. Sie alle machen deutlich: Ja, Gott ist mit uns. Es lässt sich sehen. Es lässt sich verifizieren. Man muss nur richtig hinschauen. Die Zeichen deuten. Auch Maria ist ein Zeichen. Ihre Bereitschaft. Ihr Vertrauen. Ihr Glaube. Sie ist es wie Hagar. Wie Elija. Wie David. Ihre Schwangerschaft weist nach vorn. Sie verheißt Zukunft. Und Leben. Und sie unterstreicht, sie bewahrheitet, was Gott David verheißen hat. Sein Haus – das sind auch wir, das ist auch unser Leben. Auf ewig wird es bestehen bleiben.

Amen.


(Joachim Pfützner)




{Predigt über die Perlen der Stille}

am Aschermittwoch, 22.02.2012

Biblische Grundlage: Joël 2,12-18

Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Zwei Bundesstraßen, auf einer zusammengeführt, liefen direkt an meinem Elternhaus vorbei. Das bedeutete: Doppelter Durchgangsverkehr und zusätzlich noch der Verkehr, der in die Innenstadt wollte. Hinzu kam: Vor unserem Haus gab es eine Straßenkreuzung mit Ampelregelung. So lebten wir in einer permanenten Lärmkulisse, die vor allem in den Rush-Hour-Zeiten an die Grenze des Unerträglichen kam. Nur in der Nacht war es mehr oder weniger still. Und am Heiligen Abend. Wenn wir Urlaub machten, war es uns deshalb allen ein Bedürfnis, irgendwo abseits Unterkunft zu finden, am liebsten in einem beschaulichen Dorf oder in der freien Natur.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen da geht, aber Stille wird gerade dann zu einem echten Bedürfnis, wenn man sie sonst nicht hat. Eines der jungen Ehepaare aus unserer Gemeinde war deshalb vor zehn Tagen in einem Kloster zu einem Meditationswochenende. Jede Woche kommen, nicht zuletzt aus diesem Grund, zwischen sieben und siebzehn Leute dienstagabends zum Taizégebet, wo nicht nur gesungen und gebetet wird, sondern es auch eine etwa fünf- bis zehnminütige Stille gibt. Aber auch die umgekehrte Erfahrung ist Realität: Menschen, die eine stille Zeit nicht aushalten oder erst gar nicht wollen.

In der Betrachtung der Perlen des Glaubens, die wir in der Adventszeit begonnen haben und während der österlichen Bußzeit nun fortsetzen, sind heute die Perlen der Stille an der Reihe. Es sind jene länglichen, sandfarbenen Perlen, von denen es insgesamt sechs gibt. Bewusst sind sie nicht hintereinander angeordnet, sondern über das ganze Band verteilt. So signalisieren sie: Stille ist etwas für das Zwischendurch, eine Unterbrechung meines sonst wahrscheinlich nicht so stillen Alltags. Das ist wie mit dem Urlaubmachen oder auch dem Wochenende: Beides wird von vielen Menschen als Unterbrechung empfunden; immer nur funktionieren müssen, geht nicht; ich muss zwischendurch auch zu mir selbst kommen können.

Interessant ist, wo genau die Perlen der Stille sich befinden; es gibt ja auf dem Perlenband ganze Strecken, die nicht von einer Perle der Stille unterbrochen sind. Das gilt für die Perlen der Liebe, die Geheimnisperlen und die Perle der Nacht. Ob das bedeuten soll, dass die damit verbundenen Erfahrungen so aufregend und so eindrücklich sind, dass sie keiner eigenen Zeit der Stille mehr bedürfen? Es kann aber auch sein, dass die Stille-Perlen eher den Rahmen bilden zu so wichtigen Perlen wie der Gottesperle, der Ich- und der Taufperle, der Perle der Gelassenheit und der Perle der Auferstehung. Das würde bedeuten, dass diese Perlen ihre Botschaft erst entfalten können, wenn ich mir dafür bewusst Zeit nehme. Gott zu suchen und zu finden ist sicher eher in der Stille möglich als im Lärm, vor allem wenn ich ihn „hören“ will. Mir selbst zu begegnen: Das geht nicht mitten im Alltagsverlauf – der Alltag bietet mir höchstens Anlässe dazu, die es dann abseits von ihm – auch das kann Stille sein – in einer Gruppe oder in einem Gespräch zu reflektieren gilt. Auch Gelassenheit ist etwas, das gesucht und gefunden werden will; erst wenn ich darüber nachdenke, kann ich ihren Wert und ihre Notwendigkeit erkennen, und dann bedarf es sicherlich einer Übung, damit sie mich ergreifen kann. Und schließlich die Perle der Auferstehung: Sie steht für eine kaum zu fassende Wirklichkeit, die anzunehmen und zu glauben nicht machbar ist; es ist vielmehr ein Geschenk, eine Gnade, darauf bauen und damit leben zu können. Man kann darüber eigentlich nur staunen, in Worte fassen kann man es nicht. Auch die Bibel hat darüber mehr Bilder als Worte. Wo aber keine Worte mehr möglich sind, ist Schweigen vielleicht angemessener.

Wann aber kann ich das tun? Wenn viel auf mich eindringt, ist es normal, dass ich mich irgendwohin zurückziehe, um in Ruhe nachdenken zu können. Ich will dann verstehen, was da alles ist; ich will ordnen können; ich will herausfinden, was ich machen, wie ich auf das Erlebte reagieren kann. Die meisten Menschen tun das intuitiv, also dann, wenn es notwendig ist. Auf der anderen Seite aber sind uns auch Zeiten gegeben, die wir nur zu nutzen brauchen: Pausen im Tagesverlauf, der Abend nach einem ereignisreichen Tag, das Wochenende und der Urlaub. Auch die Bibel greift dieses Thema auf: im siebenten Tag der Schöpfungsgeschichte, in den Wüstenzeiten Israels, Elijas und Jesu, in Zeiten des Gebets, wie sie in der heutigen Lesung der Prophet Joël ausruft und wie sie laut Überlieferung der Evangelisten Jesus immer wieder sucht. Der Bibel geht es allerdings weniger um Abstand und Selbstfindung, sondern mehr darum, das Leben im Licht des Glaubens zu sehen. Will der Glaube nicht nur einfach da sein, sondern gelebt werden, sind solche vorgegebenen Zeiten der Stille notwendig. Wer ihren Wert erfahren hat, wird sie sich wohl immer wieder einräumen. Wem sie abhandengekommen sind oder wer sie sich noch nie gegönnt hat, ist gut beraten, sie mal auszuprobieren. Vielleicht können wir die vor uns liegende Zeit dafür nutzen. Jeden Tag fünf Minuten sind da viel.

Amen.


(Joachim Pfützner)





{Predigt über die Perle der Gelassenheit}

 am 1. Sonntag der österlichen Bußzeit, 26.02.2012

An diesem Sonntag war Familiengottesdienst; deshalb wurden die anwesenden Kinder in die Predigt mit einbezogen.


Biblische Grundlage: Genesis 9,8-15

Liebe Kinder, liebe Erwachsenen: liebe Schwestern und Brüder! Erinnert ihr euch noch an die „Perlen des Glaubens“? In der Adventszeit haben wir einige davon betrachtet – auch in der Kinderpredigt. Heute habe ich den Perlenkranz wieder mitgebracht, denn wir kennen noch lange nicht alle Perlen, die darauf sind. Die Perle, die wir uns heute anschauen wollen, ist eine der bunten Perlen: die blaue. Vielleicht fangen wir einfach mal damit an, zusammenzutragen, was uns bei der Farbe blau alles einfällt: der Himmel, das Meer…

(breitet ein großes blaues Tuch aus): Dieses Tuch stellt jetzt das Meer dar. Am besten, ihr kommt alle einmal her und nehmt das Tuch an den Rändern in die Hand… Die Sonne steht am Himmel, es geht kaum ein Wind, das Meer liegt ganz ruhig da… Nun kommt ein leichter Wind auf, auf dem Meer sind kleine Wellen zu sehen (die Kinder bewegen das Tuch ganz leicht auf und ab)… Und nun wird der Wind stärker, bis ein richtiger Sturm tobt (die Kinder bewegen das Tuch immer schneller)… Langsam lässt der Sturm nach, die Wellen werden wieder kleiner… (legt das Tuch abschließend zum Perlenband)

Manchmal geht es unseren Gefühlen wie dem Meer: mal stürmt es in uns, wenn wir wütend oder ängstlich sind, mal ist es ganz ruhig in uns. Wenn unsere Gefühle ruhig sein können, nennen wir Erwachsenen dies Gelassenheit. Die blaue Perle heißt „Perle der Gelassenheit“.
In der Lesung vorhin haben wir von Noach gehört. Ihr wisst, wer Noach ist? Richtig, es ist der Mann, dem Gott aufgetragen hat, ein großes Schiff zu bauen. Das Schiff sollte Noach, seine Frau, seine Kinder und alle Tiere vor einer großen Sturmflut retten, die vierzig Tage und vierzig Nächte dauerte. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, dass dies kein schönes Erlebnis war: vom Wasser hin und hergeworfen trieb das Schiff umher, und alle hatten Angst, die Menschen ebenso wie die Tiere. Die Sturmflut wollte gar kein Ende nehmen – vierzig Tage und vierzig Nächte sind eine lange Zeit. Doch dann ließen Wind und Regen nach. Alle waren froh, dass sie diese Zeit wohlbehalten überstanden hatten. Und Gott war es, der sie gerettet hatte. Niemals würden sie ihm das vergessen.

Auch wir sollen nicht vergessen, dass Gott die Menschen beschützt und bewahrt. Deshalb wird uns diese Geschichte erzählt. Denn stürmisch kann es immer mal wieder im Leben zugehen – mal mehr, mal weniger. Mal ist es Angst, die dazu führt; mal Ärger und Wut, mal Verzweiflung. Wenn uns dann aber die Geschichte von Noach einfällt und wir uns klarmachen, dass Gott Noach  und seine Familie und alle Tiere davor bewahrt hat unterzugehen, dann kann die Angst, dann können Ärger und Wut und aller Zorn nachlassen, und wir können ruhiger werden, denn wir dürfen uns darauf verlassen, dass Gott auch für uns da ist und dass er auch uns rettet.

Die Perle der Gelassenheit erzählt uns solche Geschichten. Geschichten, die uns beruhigen sollen. Die uns vertrauensvoller machen sollen. Die uns sagen sollen: Mit Gott an deiner Seite kannst du gelassen bleiben. Vor allem auch deshalb, weil Gott mit Noach und seinen Nachkommen – das heißt, auch mit uns heute – einen Bund geschlossen hat, einen Vertrag. Und in diesem Vertrag steht: Immer werde ich da sein und euer Leben bewahren. Als Jesus ans Kreuz genagelt wurde, hat er an dieses „Immer werde ich da sein und euer Leben bewahren“ gedacht und fest darauf vertraut. Und Gott hat sich als treu, als vertragstreu, erwiesen. Jesus lebt. Gott hat ihn vom Tode auferweckt. Er steht für alle Zeiten zu dem, was er versprochen hat. Wir haben Grund genug, gelassen zu bleiben oder es zu werden.

Amen.


(Joachim Pfützner)





{Predigt über die Perlen der Liebe}

 am 2. Sonntag der österlichen Bußzeit, 04.03.2012

An diesem Sonntag war Diakoniesonntag der Gemeinde; auf Wunsch der mitgestaltenden Diakoniegruppe ging es dabei um ein Obdachlosenprojekt in Stuttgart-Heslach.

Biblische Grundlage: Römerbrief 8,31b-34

Liebe Schwestern und Brüder in Christus! Passend zum Diakoniesonntag stehen heute die Perlen der Liebe zur Betrachtung an. Sinnigerweise sind es zwei Perlen: zur Liebe braucht es immer ein Gegenüber, eine Person, die Liebe gibt, und eine, die Liebe empfängt. Sehr schön veranschaulicht ist dies in einer Grafik, die die Künstlerin Susanne Pertiet zu den Perlen der Liebe gemacht hat Kartenset Meditationsbilder „Perlen des Glaubens“ - (c) Susanne Pertiet[Grafik in: Kirstin Faupel-Drevs, Sandra Peters-Hilberling (Hg.), Perlen des Glaubens, Werkstattbuch, Kiel 2010, S. 338]. Wir sehen darauf jeweils eine halbe rote Perle, wobei die abgeschnittene, gerade Seite in beiden Fällen nach außen gerichtet ist und die runden Seiten sich berühren. Würden wir jede dieser Perlenhälften drehen und aneinanderlegen, hätten wir eine ganze Perle. Ich deute das so, dass dieses Ganze die Liebe ist, dass das Ganze der Liebe aber aus zwei Teilen besteht – das lateinische Wort für „Teil“ heißt „pars“, aus dem das deutsche Wort „Partner / Partnerin / Partnerschaft“ abgeleitet ist. Das Ganze der Liebe kommt durch zwei Partner zustande, die sich berühren – wobei dieses sich Berühren sehr vielfältig verstanden werden kann: Es muss ja nicht immer die Berührung eines Kusses oder einer Umarmung sein, es kann auch die Berührung einer Geste oder die Berührung des Herzens sein.

So eine Geste ist zum Beispiel das „Glaserhaus“ in Heslach in der Kelterstraße 27, in dem sich Montag für Montag Menschen von der Straße, Obdachlose, treffen – sie tun das bereits seit 14 Jahren, aber erst neuerdings im Glaserhaus, der Schenkung eines Man¬fred Glaser, daher der Name. Viel zu eng war der vorherige Treffpunkt geworden. Nun ist genügend Platz da, um sich zu versammeln, miteinander zu essen, sich gegenseitig Hilfe zu geben, Gottesdienst zu feiern, Arbeiten und Leben zu teilen. Von Kathy’s Vesper her wissen wir, wie wichtig das für diese Menschen ist. So sind es Pfarrer Roland Renz und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Stuttgarter Gemeinden und es ist die Geste Manfred Glasers und das Engagement der Kirchengemeinde St. Josef sowie die Unterstützung eines Freundeskreises für das laufende Geschäft, die den einen Teil der Perlen der Liebe bilden – es ist in diesem Fall der Teil, der Liebe gibt. Und die, die kommen – offensichtlich nicht wenige, sonst wäre die neue Bleibe sicherlich nicht nötig gewesen (auch Kathy’s Vesper erfreut sich ja hoher Besucherzahlen) – stellen den anderen Teil dar – es ist der, der Liebe empfängt und der davon sicher sehr berührt ist.

Das Berührtwerden gibt es aber häufig auch auf der Seite der Liebe Gebenden; es ist einfach etwas Schönes mitzuerleben, wie ein Mensch, der sonst kaum Gelegenheit zur Freude hat, sich endlich einmal freuen kann. Das ist, als käme dadurch etwas in Ordnung. Als wandle sich etwas in dieser Welt zum Guten. In der Bibel erleben wir Ähnliches ja im Zusammenhang mit Heilungsgeschichten. Und diese wiederum stehen eng im Zusammenhang mit dem Anbruch der Gottesherrschaft. „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ lässt Johannes der Täufer Jesus fragen. Und Jesus antwortet darauf: „Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Mt 11,2-5). Wenn wir das weiterdenken, dann ist ein Kennzeichen der Gottesherrschaft die Freude: die Freude darüber, dass etwas heil wird und in Ordnung kommt. Und ausgelöst wird diese Freude letztlich von Gott, der Liebe ist (1 Joh 4,8) und der der Liebe in Jesus ein unverwechselbares Gesicht gegeben hat (1 Joh 4,9). Auf dem Perlenkranz ist deshalb die Gottesperle genau gegenüber den Perlen der Liebe angeordnet. Und in der Grafik Susanne Pertiets kommt das zum Ausdruck im Ganzen der Perle: in Wahrheit  entstammen die zwei Perlen der Liebe gebenden und der Liebe empfangenden Person einer einzigen Quelle der Liebe, nämlich Gott.

Noch etwas lässt sich in der Grafik erkennen: das Wechselseitige des Gebens und Nehmens, ausgedrückt durch die Farben Schwarz und Weiß: Charakteristikum der einen Person ist der schwarze Raum, Charakteristikum der anderen Person ist der weiße Raum. Indem die im schwarzen Raum ruhende Person von einer weißen Linie durchzogen wird und die im weißen Raum ruhende Person von einer schwarzen, wird anschaulich, dass Liebe etwas mit Her- und von sich Geben zu tun hat. Genau das aber ist es, was wir an Gott wahrnehmen: Er gibt von sich das her, was IHN ausmacht – Liebe und Leben. Wie beten wir so treffend in einem unserer Eucharistiegebete? „Du bist kein Gott, der bei sich selbst bleibt. Du hast dich unserer Armut und Schwachheit angenommen und gibst uns in unsere ausgestreckte Hand das einzigartige Geschenk, deinen Sohn.“ Er gibt ihn uns, damit Liebe und Leben anschaulich werden. Damit wir sehen, zu welcher Würde und Größe wir Menschen berufen sind. Damit wir ein Ziel haben, auf das hin wir uns entwickeln und von Gott gestalten lassen können. Dieses Ziel ist aber nicht nur mein Ziel, es ist das Ziel jedes Menschen, unterschiedslos. Und deshalb geht es eben nicht nur darum, dass ich mich entwickle, sondern dass alle Menschen diese Chance bekommen. Dafür tritt Jesus ein, und wir sind aufgefordert, es in seiner Nachfolge zu tun – um der Liebe willen.

Amen.


(Joachim Pfützner)




{Predigt über die Geheimnisperlen}

 am 3. Sonntag der österlichen Bußzeit, 11.03.2012

An diesem Sonntag war Erstkommunionvorbereitung. Vor allem am Anfang der Predigt ging es darum, die anwesenden Kommunionkinder mit anzusprechen.

Biblische Grundlage: Exodus 20,1-17; Johannes 2,13-25

„Ich hab‘ da was gehört…“ – „Das klingt spannend. Was denn?“ – „Kannst du schweigen?“ – „Ja.“ – „Toll! Ich auch!“

Liebe Schwestern und Brüder, und natürlich auch: Liebe Kommunionkinder! Der Witz ist alt, aber immer noch wirkungsvoll. Da deutet jemand ein Geheimnis an und weckt richtig Spannung, aber er sagt am Ende nichts. Und das ist auch in Ordnung so. Ein Geheimnis wäre nicht mehr geheim, würde man überall darüber sprechen.

Jeder Mensch hat Geheimnisse. Ihr sicher auch. Und deshalb darf dieses Thema auf unserem Perlenkranz nicht fehlen. Interessant ist allerdings, dass es nicht nur eine Geheimnisperle gibt, sondern gleich drei. Sie sind kleiner als die meisten Perlen, die wir bisher betrachtet haben, und ähneln damit der Ich-Perle, zumal sie ja auch genauso weiß sind wie sie. Es geht also um meine Geheimnisse, nicht um irgendwelche andere. Interessant ist auch, wo sich die Geheimnisperlen im Perlenkranz finden: zwischen den Perlen der Liebe und der Perle der Nacht. Ein Teil meiner Geheimnisse hat vielleicht mit der Liebe zu tun, ein Teil mit dem Dunklen, dem, was Angst macht, was einen verzweifeln lässt, Sterben und Tod. Aber sowohl das eine wie auch das andere kann mich mit Gott in Berührung bringen. Gegenüber den Geheimnisperlen ist nicht nur die Ich-Perle angeordnet, sondern auch die Taufperle, und die Taufperle sagt mir: „Du bist nicht allein; in der Taufe bist du Kind Gottes geworden; wie ein guter Vater und eine gute Mutter steht Gott dir zur Seite.“ Das tut gut, denn auch über Geheimnisse möchte man dann und wann mit jemandem sprechen können, vor allem wenn sie einen umtreiben und nicht mehr loslassen oder wenn sie einem Angst machen und im Traum verfolgen. Bei Gott ist jedes Geheimnis, auch das tiefste, auch das schwierigste gut aufgehoben.

Die heutige Lesung bekräftigt das. Sie enthält zwar die sogenannten zehn Gebote, aber eben nicht nur sie. Bevor da „Du sollst…“ bzw. „Du sollst nicht…“ gesagt wird, heißt es erst einmal: „ICH bin dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ Das heißt: Gott hat etwas für uns getan und wird auch weiterhin etwas für uns tun. Er hat uns zu freien Menschen gemacht. Und in den Geboten zeigt er uns Wege, wie wir als freie Menschen gut und glücklich leben können. Gelingen wird das allerdings erst, wenn wir uns bewusst machen: Es sind Wege, die Gott uns zeigt, nicht sonst jemand, und Gott verdient unser volles Vertrauen – d.h. seine Worte und Weisungen haben gegenüber anderen Worten und Weisungen Gewicht. Sie haben es, weil Gott für uns der Freiheitsexperte ist: „ICH bin dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“ So wie Gott uns also in Sachen Freiheit voraus ist, so sind Väter und Mütter ihren Kindern in Sachen Lebenserfahrung voraus. Und deshalb hören wir von Vätern und Müttern immer mal wieder ein „Du sollst…“ bzw. „Du sollst nicht…“ Man kann das als lästig empfinden, man kann es aber auch als wertvollen Hinweis ansehen, wie Israel es tut: „Gottes Weisung“, betet es, „ist vollkommen, sie erquickt den Menschen… Gottes Entscheide… sind kostbarer als Gold…, sie sind süßer als Honig…“ (Ps 19,8.11). Wenn ich das verstanden habe, bin ich bereits voller Vertrauen Gott gegenüber. Und dann kann ich mich ihm gegenüber auch als Kind ansehen, ja mehr noch: als Kind fühlen.

Mit meinen Geheimnissen bin ich also bei Gott gut aufgehoben. Im Wort „Geheimnis“ steckt das Wort „Heim“ (J. Ehebrecht-Zumstande, B. Kassens, Wie das perlt…! Firmvorbereitung mit den ‚Perlen des Glaubens‘, München 2008, 192). Das würde bedeuten: in Gott und im Leben ein Heim, eine Heimat zu haben. Oder auch: Gottes Heimat in mir zu suchen und zu finden. Das ist etwas anderes, als Gott verstehen zu wollen. Der Religionsphilosoph Romano Guardini erklärt: „Je älter ich werde, desto größer wird das Geheimnis in allem. Aber auch etwas anderes geschieht: Das Geheimnis wird bewohnbar.“ Mit „Geheimnis“ meint Guardini Gott. In allem ist er zu finden. Kein Problem, solange das die guten, positiven Dinge betrifft und die guten Menschen. Gott aber zu suchen und zu finden in den weniger guten Dingen und Menschen, in Katastrophen, Unglücken, Schicksalsschlägen, in Menschen, die Schuld auf sich geladen haben oder die wir als kriminell, als „Verbrecher“ bezeichnen? Das ist kaum zu begreifen, wie vieles an Gott kaum zu begreifen ist – Guardini hat also Recht, wenn er Gott als „Geheimnis“ bezeichnet. Und wenn wir über uns Menschen nachzudenken beginnen und über das Leben, ja sogar wenn wir über uns selbst und unser Leben nachdenken, dann kann es sein, dass wir dabei genauso auf Unbegreifliches, nicht mehr Verstehbares stoßen: auch die Menschen sind geheimnisvoll, auch ich selbst bin es.
Wir merken: Mit einer Geheimnisperle kämen wir gar nicht aus. Vielleicht stehen die drei Geheimnisperlen für mich, für andere Menschen und für Gott. Dann wären die zehn Gebote etwas, das das alles in Verbindung bringt. Sie würden mir helfen, Gott und meinen Mitmenschen, den guten wie den schlechten, näher zu kommen. Ein Gedanke, den auch das heutige Evangelium aufnimmt, wo Jesus alles aus dem Weg räumt, was verhindert, dass ich Gott und mit ihm meinen Mitmenschen näher komme. Darum nämlich geht es; das ist das Ziel.

Amen.

(Joachim Pfützner)




{Predigt über die Perle der Nacht}

 am 4. Sonntag der österlichen Bußzeit, 18.03.2012

Biblische Grundlage: 2. Buch der Chronik 36,14-16.19-23; Johannes 3,14-21

Achtundzwanzig Tote hat das Busunglück letzte Woche in der Schweiz gefordert, zweiundzwanzig davon waren Kinder. Liebe Schwestern und Brüder, solche Nachrichten rauben einem die Worte. Wer sie nicht gleich zur Seite schiebt, zumal sie ja nicht die einzigen schlimmen Nachrichten sind, die Tag für Tag an uns herangetragen werden, fragt sich: Warum? Die Gedanken gehen an die Familien in Belgien. Sie berühren die eigene Rolle als Vater oder Mutter. Sie lassen an die eigenen Kinder denken. Warum? Warum solche Unglücke? Warum Krankheit und Tod?

Alles, was das Leben ausmacht und prägt – das Nachdenken darüber, Entbehrungen, die Kunst etwas auch zu lassen, die Liebe, Geheimnisse – findet sich auf dem Perlenkranz des Glaubens. Eine Reihe bunter Perlen. Sie wäre unvollständig, gäbe es darin nicht auch die schwarze Perle, die Perle der Nacht. Hier bündeln sich unsere dunklen Erfahrungen. Und mit ihnen Fragen über Fragen. Fragen, auf die es keine oder keine schnellen, keine einfachen Antworten gibt.

Das Dunkle, das in unser Leben einbricht, und die schwierige Frage „Was soll das? Was hat es zu bedeuten?“ klingt heute auch in den biblischen Texten an, insbesondere in der Lesung. Da wird in kurzen Worten eine der dunkelsten Stunden in der Erinnerung Israels geschildert: der Tempel wird verbrannt, die Mauern Jerusalems werden niedergerissen, Paläste werden ein Fraß des Feuers. Wer „dem Schwert entgangen war“, wird in die Verbannung nach Babel geführt – eine Art zweites Ägypten. Warum? Für Israel ist das nicht irgendein geschichtliches Ereignis. Es ist etwas, das ans Herz geht, an die Identität. Was ist los mit Gottes Volk? Warum ist der Ich-bin-da plötzlich nicht mehr da?

Naheliegende Fragen. Auch für uns Christen. „So sehr hat Gott die Welt geliebt… wer an ihn glaubt, geht nicht zugrunde…“ (Joh 3,16). Und doch geschehen Unglücke. Und doch werden Menschen unheilbar krank. Sind das dann nicht alles leere Worte? Lügen? Ein rettender Gott? Wie soll man das glauben? Wie sollen das die Familien in Belgien glauben? Wie sollen sie nun bei Gott Trost finden?

Das in der Verbannung lebende restliche Israel bekommt die Worte des persischen Königs Kyrus zu hören: „Der Herr, der Gott des Himmels hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. Jeder, der zu seinem Volk gehört, soll hinaufziehen“ (2 Chr 36,23). Ein Lichtblick. Das Ende der Verbannung. Eine neue Zeit nimmt ihren Anfang. Die Zeit des Wiederaufbaus. Israel empfängt dadurch neue Kraft. Also lässt Gott sein Volk doch nicht im Stich? Warum dann aber zuerst die Nacht-Erfahrung: all das Schreckliche, Demütigende, der Schmerz darüber, der unendliche Verlust? Wiegt das nicht mehr als das Wort eines fremden Königs? Wiegt es nicht auch für die belgischen Familien mehr als all die frommen Worte vom Mitleiden Gottes und davon, dass er das letzte Wort behält?

Ich habe mich im Blick auf unseren Perlenkranz schon oft gefragt, wieso die Perlen der Liebe, die Geheimnisperlen und die Perle der Nacht nicht wie die anderen Perlen durch eine Perle der Stille voneinander abgesetzt sind. Ob das bedeutet, dass sie zusammengehören? Dass es die Liebe nicht ohne die Geheimnisse gibt und ohne dunkle Erfahrungen? Oder die Geheimnisse nicht ohne die Liebe und das Dunkle im Leben? Oder das Dunkle nicht ohne die Geheimnisse und die Liebe? Das Dunkle wäre dann nicht alles. Es wäre ein Teil des Lebens, nicht das Leben. So wie auch die Liebe nicht alles sein kann. Und wie Geheimnisse sowohl mit der Liebe als auch mit dem Dunklen zu tun haben. Die täglichen Nachrichten machen uns bewusst, dass das Dunkle geschieht; es ist eine Realität. Eine Realität allerdings, mit der wir uns nicht abfinden können und wollen. Auch wenn die Toten deshalb nicht mehr zurückkehren.

Das Evangelium heute erzählt in geheimnisvollen Worten, dass Gott sich auf diese Realität der Welt, auf ihre Schatten und da besonders auf den Schatten des Todes einlässt. Viele Mitchristinnen und Mitchristen können das kaum aushalten und haben auch da Fragen. Wieso tut er das durch seinen einzigen Sohn? Wieso mutet er ihm den Tod zu, und dann auch noch einen so grausamen wie den Kreuzestod? Um die Welt durch ihn zu retten, wie es im Evangelium heißt? Wäre das nicht auch anders gegangen? Unblutiger? Bei der Vorbereitung dieser Ansprache stieß ich auf einen Satz des Psychologen C.G. Jung: Verändern kann ich nur das, was ich vorher angenommen habe (J. Ehebrecht-Zumsande, B. Kassens, Wie das perlt…! Firmvorbereitung mit den „Perlen des Glaubens“, München 2008, 24). Ob das auch für Gott gilt? Dass er die Welt und uns Menschen mit allem Wohl und Wehe so annimmt, wie sie, wie wir sind? Eben auch mit all dem Dunklen? Um sie zu verändern? Zum Guten hin zu verändern? Aus Liebe? Könnte es sein, dass wir dem naturgemäß ausweichen, weil wir uns einreden, das Dunkle gehöre nicht zu Gott? Von Gott her müsse alles perfekt und ohne Makel sein? Die Chroniklesung betont, dass das nicht so ist. Und sie verschweigt auch nicht, dass wir Menschen in unserer Unzulänglichkeit daran unseren Anteil haben. Trotzdem lässt Gott sich darauf ein. Und das bedeutet: Das Dunkle bleibt nicht das, was es ist. Indem Gott sich ihm stellt, verwandelt er es in Licht. Das ist die Ansage. Und es ist nun an uns, darin die Chance der Rettung zu sehen. Aufs Ganze.

(Joachim Pfützner)




{Predigt über die Perle der Auferstehung}

am 5. Sonntag der österlichen Bußzeit, 25.03.2012

An diesem Sonntag war Familiengottesdienst; die Predigt nimmt deshalb Rücksicht auf die Erfahrungswelt der Kinder.

Biblische Grundlage: Johannes 12,20-33

Liebe Schwestern und Brüder, und vor allem: Liebe Kinder! Auf unserem Perlenkranz haben wir am vergangenen Sonntag die schwarze Perle betrachtet: Sie heißt „Perle der Nacht“. Das klingt geheimnisvoll, denn nachts schlafen wir ja gewöhnlich; wir wissen über die Nacht also nicht richtig Bescheid. Aber so viel wissen wir: In der Nacht ist es finster. Und wenn es richtig finster ist, wir also nichts mehr sehen können, alles ist schwarz, dann kann einem das auch Angst machen. Man traut sich dann kaum noch etwas; wir könnten ja stolpern und hinfallen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich vor Jahren bei einer Freundin gelegentlich Babysitter war: Die Kinder brauchten, um einschlafen zu können, unbedingt Licht draußen im Flur; das gab ihnen Sicherheit und Vertrauen. Wer von den Erwachsenen manchmal nachts nicht schlafen kann, weiß, wie bedrückend und beklemmend die Finsternis sein kann.

Es ist deshalb nicht weit hergeholt, wenn die Finsternis der Nacht auch als Bild für den Tod verstanden wird. Tote sehen nichts mehr und nehmen nichts mehr wahr, wir schließen ihnen aus diesem Grund auch die Augen. Und dann betten wir sie wie zu einem Schlaf in einem Sarg. Und den Sarg geben wir schließlich hinein in ein Grab. Das heißt: Wir graben in die Erde ein großes Loch, in das wir dann den Sarg mit dem toten Menschen versenken. Wenn dann Erde darüber geworfen wird und das Loch geschlossen ist, ist drinnen im Grab alles dunkel und finster wie die Nacht. Die schwarze Perle der Nacht erinnert uns daran, dass dies zum Leben dazugehört: Wir werden geboren und wir werden sterben. Bei der Geburt erblicken wir das Licht der Welt – es wird hell in unserem Leben, wir können auch sagen: Es wird Tag – und im Tod wird es finster und schwarz; die Dichter sagen: Die Nacht des Todes umfasst uns.

Schauen wir auf unseren Perlenkranz. Nicht weit weg von der schwarzen Perle ist eine weiße. Sie heißt „Perle der Auferstehung“. Wenn die Nacht vorüber ist und das Licht des Tages aufscheint, stehen wir auf. Tag für Tag ist das so, und je älter wir werden, desto dankbarer sind wir dafür. Denn wir wissen: Irgendwann wird es nicht mehr so sein. Irgendwann werden wir liegenbleiben, zur letzten Ruhe gebettet, in ein Grab gelegt, tot. Und dann? Bleibt dann die Nacht? Ist  Finsternis das, was uns blüht? Ausgerechnet das, was wir immer lassen würden, hätten wir die Wahl zwischen Finsternis und Licht?

Die Perle der Auferstehung ist weiß und nicht schwarz. Und sie ist die Perle, die nach einer Perle der Stille direkt auf die Perle der Nacht folgt. Schon das heißt: Die Perle der Nacht ist nicht die letzte im Perlenkranz. Die Nacht des Todes ist nicht das Letzte, was im Leben geschieht. Und wenn wir weiterschauen, dann folgt nach einer weiteren Perle der Stille die goldene Gottesperle. Da, wo Gott ist, herrscht nicht Finsternis und Nacht, sondern Licht und Tag. Es bleibt nicht beim Liegen und beim Grab, denn Gott lässt auf die Nacht des Todes den Tag der Auferstehung folgen.

Damit sind wir bei dem schwierigen Evangelium dieses Sonntags angelangt. Das erste, was es uns vor Augen hält, ist ein Weizenkorn. Ich weiß nicht, ob ihr das Lied noch kennt: „Im Märzen der Bauer die Rösslein anspannt…“ Dieses Lied erzählt davon, wie Bauern und Bäuerinnen im Frühjahr Löcher in die Erde graben, um darin dann Samen zu versenken, Samen, wie auch das Weizenkorn einer ist. Wenn wir uns das mal ohne Maschinen vorstellen und ohne gleich an Massen von Weizenkörnern zu denken, dann spüren wir vielleicht, dass da etwas Ähnliches geschieht, wie wenn wir einen Menschen zu Grabe tragen. Nur: Beim Weizenkorn wissen wir, dass, wenn wir das Loch, in dem es liegt, wieder mit Erde zugeschüttet haben, damit dann kein Ende erreicht ist nach dem Motto „Das war’s dann!“, sondern aus der Erde wird nach einiger Zeit ein Halm sprießen, und der Halm wird Frucht tragen, die wir am Ende des Sommers ernten können, eine Frucht, die wir vielfältig verwenden, vor allem zum Brotbacken, und Brot bedeutet den Hunger stillen, also leben. Wenn wir an den Tod denken oder einen Menschen beerdigen, ist es gut, sich an das Weizenkorn zu erinnern. Das in die Erde geben ist dann nicht das Ende eines menschlichen Lebens, sondern der Anfang neuen Lebens.

Jesus spricht, wenn er vom Weizenkorn redet, das in die Erde gegeben wird, von sich, von seinem Tod, der nahe ist. Was Jesus sagen will ist: Ohne das Sterben und den Tod gäbe es keine Frucht wie beim Weizenkorn. Auch das Weizenkorn könnte keine Frucht bringen, wenn es nicht zuvor in die Erde gegeben wird. Genauso ist es mit Jesus. Wie jeder Mensch muss er sterben. Aber auf den Tod Jesu folgt seine Auferstehung. Es ist Gott, der das bewirkt. Es ist Gottes Kraft, die Jesus zu neuem Leben auferweckt. Das will Gott uns zeigen. Und deshalb ist Jesu Tod nicht nur etwas Schreckliches. Wie ein Weizenkorn bringt er auch eine Frucht hervor. Die Frucht des Lebens, das stärker ist als der Tod. So sehen wir, dass wir Menschen nicht im Tod enden werden, sondern im Leben. Die Perle der Auferstehung erinnert uns daran. Was immer uns im Leben widerfährt, selbst wenn es der Tod ist: Wir können zuversichtlich nach vorn schauen.

Amen.

(Joachim Pfützner)
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