{Altbischof Dr. Sigisbert Kraft verstorben}

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sehr geehrte, liebe Schwestern und Brüder,
in den frühen Morgenstunden des heutigen Epiphaniefestes ist unser Altbischof Dr. Sigisbert Kraft in seiner Wohnung in Waghäusel-Kirrlach nach langer Krankheit im Kreis seiner Angehörigen verstorben. Das Requiem wird gefeiert am Samstag, 14. Januar 06, 14 Uhr in der evangelischen Stadtkirche Karlsruhe, Marktplatz. Die Beisetzung findet zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis statt. (...) Frau Erentrud Kraft, sowie den Kindern und Enkelkindern der Familie gehört unser ganzes Mitgefühl. Unser Bistum hat dem unermüdlichen Schaffen von Bischof Sigisbert sehr viel zu verdanken. Ich bitte, in den kommenden Gottesdiensten unseres Altbischofs und seiner Familie fürbittend zu gedenken.
Mit guten Wünschen
+ Joachim Vobbe
Bischof

(Nachricht vom 06.01.2006)

+ Sigisbert Kraft +

In den Gottesdiensten in Aalen und Schwäbisch Gmünd sowie beim Neujahrsempfang haben wir am 8. Januar unseres früheren Bischofs Dr. Sigisbert Kraft gedacht. Ganz bewusst haben wir aus diesem Grund Lieder gesungen, die aus seiner Feder stammen und in unser Gesangbuch eingegangen sind. Auf diese Weise hatten wir Bischof Sigisbert noch einmal bei uns zu Gast, und wir konnten ihm auf eine ganz eigene Weise zuhören. Der Vorsitzende des Kirchenvorstands, Wolfgang Nübling, erinnerte sich in seiner Neujahrsansprache ganz persönlich an den, wie er sagte, „quirligen kleinen Mann“, den er vor seinem geistigen Auge immer noch auf der Kanzel unserer Kirche predigen sähe. Und Pfarrer Joachim Pfützner bezeichnete Bischof Sigisbert vor dem Hintergrund des seiner Predigt zugrunde liegenden Gottesknechtlieds aus Jesaja 42 als einen von Gott Erwählten, der, wie sich das für einen von Gott Erwählten gehöre, auf Gott hinweist, ihm als Sprachrohr dient und sich ihm als Werkzeug zur Verfügung stellt.

Sigisbert Kraft wurde 1951 für das Bistum Würzburg zum Priester geweiht und schloss sich nach einigen Dienstjahren als Religionslehrer in Franken dem alt-katholischen Bistum an. Von 1961 bis 1963 war er als Pfarrvikar in Mannheim tätig, anschließend wurde er zum Pfarrer der Karlsruher Alt-Katholiken gewählt. 22 Jahre lang versah er dort seinen Dienst als Gemeindeseelsorger, davon etliche Jahre zusätzlich auch als Dekan des Dekanats Nordbaden-Württemberg. Als promovierter Liturgie- wissenschaftler und ausgewiesener Ökumeniker wurde er durch zahlreiche Publikationen weit über die Grenzen der Alt-Katholischen Kirche Deutschlands bekannt. Geistig geprägt war er vor allem durch den Münchener Religionsphilosophen Romano Guardini; das Bildungszentrum Burg Rothenfels blieb für ihn bis zuletzt eine wichtige geistige Heimat. Hier fand Sigisbert Kraft auch Kontakt zu Marie-Luise Thurmair-Mumelter und deren Ehemann Georg Thurmair, die in den vergangenen Jahrzehnten mit ihren Dichtungen das katholische Kirchenliedgut maßgeblich prägten. Auch für Kraft wurde die musikalische Gottesdienstgestaltung ein Schwerpunkt seiner liturgiewissenschaftlichen Arbeit. Etliche Kirchenlieddichtungen aus seiner Feder fanden Eingang nicht nur in alt-katholische Gesangbücher.

Am 27. Mai 1985 wurde Sigisbert Kraft zum 8. Bischof des Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland gewählt. Die Bischofsweihe empfing er am 6. Oktober des gleichen Jahres in der evangelischen Christuskirche in Karlsruhe. Ein gutes Jahr später, am 21. Juni 1986, übernahm er aus der Hand seines Vorgängers Josef Brinkhues die Leitung der alt-katholischen Kirche Deutschlands. Als Bischof gab Sigisbert Kraft wichtige Impulse für einen geistlichen Neuaufbruch in den Gemeinden. Viele schätzten ihn als exzellenten Prediger. Durch seine zahlreichen ökumenischen Kontakte verschaffte er dem alt-katholischen Bistum weithin Ansehen. Als Dekan der nordbaden-württembergischen Alt-Katholiken war er maßgeblich an der Gründung der ACK Baden-Württemberg beteiligt. Auch die Entscheidung der deutschen Bistumssynode für die Einbeziehung von Frauen ins Diakonen-, Priester- und Bischofsamt fiel in seine Amtszeit. 1988 weihte er in Mannheim die erste Frau zur Diakonin. In der Internationalen alt-katholischen Bischofskonferenz war Kraft zuständig für die Kontakte zu den Kirchen der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft. Auch hier gewann er zahlreiche Freunde, unter anderem Desmond Tutu, den ehemaligen Erzbischof von Kapstadt. Nach seiner Emeritierung war Sigisbert Kraft vor allem publizistisch tätig. In unserem Dekanat war er noch lange ein gefragter Aushilfspriester.

Joachim Pfützner
(Nachricht vom 09.01.2006)