Gemeinde Stuttgart · Archiv: Texte und Bilder - Predigt 08.01.06
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Stundengebet
im Alltag

{Ansprache am Fest der Taufe Jesu und zum Gedenken an den verstorbenen früheren Bischof der Alt-Katholischen Kirche Deutschlands, Dr. Sigisbert Kraft}
von Pfr. Joachim Pfützner, Stuttgart

„Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze…“

Schrifttexte: Jes 42,1-9; Mk 1,9-11

Liebe Schwestern und Brüder, ich höre diese Worte aus der Lesung heute nicht in erster Linie auf Jesus bezogen, sondern ich muss bei ihnen aus gegebenem Anlass an Bischof Sigisbert denken. Am Pfingstmontag 1985 wurde er in Offenburg zum 8. Bischof unseres Bistums gewählt, ein gutes Jahr später, am 21. Juni 1986, übernahm er dann die Leitung unseres Bistums aus der Hand seines Vorgängers Josef Brinkhues. Ich gehörte zu dieser Zeit noch nicht dem alt-katholischen deutschen Bistum an; ich war also weder bei Sigisbert Krafts Bischofsweihe am 6. Oktober 1985 in Karlsruhe noch bei seiner Einsetzung als Bischof in Bonn. Aber ich denke mir: Zu beiden Anlässen gehört eine Vorstellung, die den bis dahin eher regional und durch einschlägige Publikationen Bekannten einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren, auch und gerade über die Kirche hinaus. Und eine solche Präsentation sollte sich, da sie ein geistliches Geschehen ist, unterscheiden. Geistlich bedeutet: Hier hat Gott seine Hand im Spiel. Auch wenn dieser Mann von den Abgesandten aller Gemeinden und den Geistlichen des Bistums gewählt wurde, ist er doch ein von Gott Erwählter: „Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen“ (Jes 42,1).

Der bis dato aus unserer Mitte Kommende wird nun hervorgehoben. Wir schauen nicht nur auf ihn, weil wir bzw. die Mehrheit der Synodalen ihn für bischofsfähig halten – ausgewiesen durch sein theologisches und liturgiewissenschaftliches Können, durch sein ökumenisches Wirken als Dekan und als Theologe, durch seine zahlreichen Verbindungen zu einflussreichen Kirchenleuten und nicht zuletzt durch eine tiefe, ausstrahlungsfähige Spiritualität, geprägt von Romano Guardini, jenem großen Religionsphilosophen der Nachkriegsjahre, der an der Universität München lehrte und bis heute den Geist der Bildungsstätte Burg Rothenfels prägt, der geistigen Heimat Bischof Sigisberts und seiner Frau Erentrud – sondern wir schauen auf den, den Gott uns da präsentiert als einen, auf den er seinen Geist gelegt hat (Jes 42,1). Der damit also im Dienste Gottes steht. Der nicht mehr allein denen zu Diensten ist, die ihn gewählt haben, nicht mehr nur unter uns steht, sondern uns auch gegenübergestellt ist und so aus einer anderen Warte, aus der Warte Gottes zu uns spricht und an uns handelt. Was nicht bedeutet, dass nun belanglos ist, was wir denken, reden und fühlen. Aber ein von Gott Erwählter sieht und hört das, was er von uns mitbekommt, zugleich auch als etwas, das Gott ihm – und durch ihn uns – sagen möchte. Ein von Gott Erwählter nimmt zum Beispiel in den Konflikten, die er erlebt – von außen ebenso wie als Mitbetroffener – Gottes Wort wahr und fragt sich, was Gott den Beteiligten, aber auch denen, die den Konflikt von außen miterleben, mit dieser Auseinandersetzung sagen möchte. Ein von Gott Erwählter sieht in den Schwachen und Kranken einen Aufruf Gottes, eine Herausforderung an uns als denen, die hier zeigen können, dass Gott gerade für die Hilflosen und die Schwachen und gerade für die Leidenden und zu Unrecht Behandelten da sein möchte. Und in den Sterbenden und Verstorbenen sieht ein von Gott Erwählter nicht das Ende, sondern das Aufleuchten der Herrlichkeit Gottes, die nun für immer und ewig ihr Leben ist.

Bischof Sigisbert war in diesem Sinne ein Knecht Gottes. Ich persönlich habe ihn geschätzt wegen seiner schlichten, humorvollen Art, wohl wissend, dass viele sich mit seinen bei allen Gelegenheiten eingebrachten und von daher auch oft sich wiederholenden Witzen schwer taten. Ich denke aber – und so habe ich sie immer verstanden – dass sie letztlich Zeugnis geben sollten von einem christlichen Optimismus, von dem Bischof Sigisbert sich geistlich besonders berührt gefühlt hat, was sich dann ja auch in seinem bischöflichen Wahlspruch „Christus Spes – Christus, unsere Hoffnung“ niederschlug. Als meine Frau und ich ihn bei einem ersten Besuch im Bischofshaus im November 1993 kennen lernten, begegnete uns diese Hoffnung in einfachen, aber eindrucksvollen Gesten. „Keine Angst“, sagte er bei der Begrüßung meiner Frau, ihr behutsam eine Hand auf die Schultern legend, „hier ist eine zölibatsfreie Zone“. Und dann ließ er uns sein Interesse, seine ganze Zuwendung spüren, auch wenn er uns keine festen Zusagen machen konnte. Er sagte uns: „Sie müssen herausfinden, ob Sie füreinander bestimmt und zur Ehe berufen sind, und dann müssen Sie herausfinden, ob Sie als Eheleute für das berufen sind, was der priesterliche Dienst als Pfarrer einer Gemeinde Ihnen beiden abverlangt.“ Am Ende des bald zweistündigen Gesprächs führte er uns in eine winzig kleine Kapelle, die das Ehepaar Kraft sich im Bischofshaus eingerichtet hatte, zündete dort eine Kerze an und bat uns, Platz zu nehmen: Wir sollten für das, was sich nun als Weg vor uns auftut, beten. Und so betete er, ganz persönlich und ganz tief, und abschließend gab er uns beiden den Segen. Damit war ein Gesprächsprozess eröffnet, der uns bis zum Eintritt ins alt-katholische Bistum eineinhalb Jahre später in äußerst lebendiger Weise begleitete und uns während der ganzen Zeit, bei allen Unsicherheiten, die wir empfanden, bei aller Angst, die auch aufbrach, immer wieder Hoffnung vermittelte. „Seht, das ist mein Knecht…, das ist mein Erwählter… Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt“ (Jes 42,1). Ich glaube fest daran, dass Gott da war auf diesem Weg, dass er zu uns gesprochen hat – auch durch das, was Bischof Sigisbert uns alles gesagt und geraten hat, dass er uns an der Hand gefasst und geführt hat. Ein von Gott Erwählter weist auf Gott hin, ist Sprachrohr für ihn und überlässt sich ihm als Werkzeug.

Bischof Sigisbert hat es da Christus gleich gemacht, den die Kirche in den Gottesknechtliedern des zweiten Jesaja aufleuchten sieht. Das Fest der Taufe Jesu wurde zum Fest seiner Präsentation, damit wir wissen, wer dieser Jesus von Nazaret ist, der uns in den Evangelien in Wort und Tat begegnet, und wozu er unter uns erschienen ist. Er ist von Gott. Er geht an Gottes Hand. Er ist Gottes Hand. Er ist Licht, das Gott und seine gute Botschaft für uns sichtbar macht, weithin, unter allen Völkern. Und er ist noch mehr – das können wir aus dem Zusammenhang mit den Gottesknechtliedern herauslesen, wenn wir uns klar machen, dass Israel sich als Ganzes in diesem dort beschriebenen Gottesknecht gemeint sah: Er, Jesus, der erwählte Knecht Gottes, steht für uns, für jede und jeden von uns. Was Gott in Jesus sieht, sieht er in uns. Wenn Gott Jesus als geliebten Sohn präsentiert, an dem er Gefallen gefunden hat, meint er nicht nur Jesus allein, sondern jeden einzelnen Menschen auf dieser Erde: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (vgl. Mk 1,11). Und in diesen Worten schwingt dann das ganze erste Gottesknechtlied (Jes 42,1-9) mit, wie wir es heute in der Lesung hören. Wir alle sind mit diesem Knecht gemeint. Auf uns allen ruht Gottes Geist. Uns alle hält er an der Hand. Uns alle hat er „dazu bestimmt, Licht für die Völker zu sein: blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien“ (Jes 42,6-7). Damit überall in dieser Welt sein Name aufleuchtet: Jahwe, der Gott mit uns (vgl. Jes 42,8). Das Fest der Taufe Jesu weist uns unsere Rolle zu, indem Gott der Welt Jesus als den vorstellt, der an der Hand Gottes auf der Erde das Recht – Gerechtigkeit, Friede, Liebe – begründet. So gesehen sind wir heute alle ein wenig hervorgehoben worden. Wir sind all denen in dieser Welt gegenübergestellt, die auf der Suche nach Gerechtigkeit, Friede und Liebe sind. Und wir sind bei dieser großen Aufgabe nicht auf uns allein gestellt. Wir üben sie aus an der Hand Gottes. Und es spornt uns an, dass Gott uns durch Erwählte, durch Menschen mit besonderem Charisma, herausfordert, dass er sich uns durch sie erklärt und dass er uns durch ihr Beispiel, durch ihr Reden und Tun, sicher auch durch ihre mahnenden und Grenzen setzenden Worte befähigt und stärkt. Bischof Sigisbert war ein solcher Erwählter. Und sein Nachfolger Joachim Vobbe ist es ebenso. Und viele andere in Gottes Volk, auch in unserer Gemeinde, sind es. Gott sei Dank! Amen.

Joachim Pfützner




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