Gemeinde Stuttgart · Fastenzeit - Umgekehrt
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Stundengebet
im Alltag

{Umgekehrt}

lautet das Thema der diesjährigen Fastenzeit in unserer Gemeinde. „Umgekehrt“ kann zum einen eine Erfahrung bedeuten: Ich bin umgekehrt. Ich bin eine Weile auf diesem Weg gegangen; dann bin ich umgekehrt. „Umgekehrt“ kann zum anderen aber auch einen Gegensatz bezeichnen: Dass es im Ökumenesaal neben unserer Kirche gebrannt hat, hat uns viel zusätzliche Arbeit abverlangt; umgekehrt aber haben wir auch viele Erfahrungen gemacht, die wir sonst vielleicht nicht gemacht hätten. Beide Gebrauchsweisen dieses Wortes können uns etwas Geistliches sagen.

Was vielen an Jesus gefällt, ist, dass er sich ganz anders verhält. Wo andere Menschen meiden, geht er auf sie zu. Wo andere Gottes Gesetz in kleinste Verfügungen fassen, rückt er das Anliegen der Lebenshilfe ins Licht. Wo andere auf ihre Macht pochen, weist er die Mächtigen in ihre Grenzen. Wo andere groß sein wollen im Herrschen, lehrt er das Großsein im Dienen. Wo andere in Sorgen aufgehen über der Frage, was kann ich mir leisten, rät er, sich Sorgen zu machen um Gottes Gerechtigkeit. Und wo andere mit dem Los des Todes hadern, sieht er die Zukunft des Lebens bei Gott. Jesus lebt „umgekehrt“. Auf den Punkt bringt er das, als ihn seine Jünger fragen: Wer ist im Himmelreich der Größte? Da stellt er ein Kind in ihre Mitte und entgegnet: „Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte.“

Umgekehrt leben: Das ist es, wozu Jesus ermutigt. Es ist die Devise des Himmelreichs. Himmelreich ist umgekehrt, ist anders als Erdenreich. Und Erdenreich wird anders, wenn dort Himmelreich geschieht. Siehe Jesus. Gott hat ihn gesandt, Erdenreich umzukehren in Himmelreich. Und wir sind durch unsere Taufe umgekehrt vom Erdenreich zum Himmelreich.

Die vierzig Tage vor Ostern, die Aschermittwoch beginnen und Karsamstag enden – auch „Fastenzeit“ genannt –, rufen uns in Erinnerung, dass wir umgekehrt sind. Sie laden uns ein, den umgekehrten Lebensstil Jesu wieder neu einzuüben. Sie gehen davon aus, dass vieles im Lauf unseres Alltags „auf der Strecke bleibt“. Methodisch raten sie uns zu bewussten äußeren Veränderungen, die uns helfen sollen, innerlich verwandelt – umgekehrt – zu werden. Wir sollen uns auf das Wesentliche konzentrieren. Der Verzicht auf Dinge und Gewohnheiten, die uns vom Wesentlichen abhalten, gehört zu diesen äußeren Veränderungen. Und das Fasten, die Einschränkung unserer Ess- und Trinkgewohnheiten bis hin zum einwöchigen Verzicht auf feste Nahrung, wie wir das auch dieses Jahr wieder bei einem Fastenkurs anbieten, schafft äußerlich wie innerlich eine gute Voraussetzung, das Wesentliche – nämlich mit unserem Leben Jesus nachzufolgen – neu zu wagen. Die Chance, dass wir unser Leben dadurch anders erfahren – befreiter, reicher – ist groß. Letztlich sind wir alle auf der Suche danach. Die Fastenzeit kommt damit einer Suchzeit gleich. Sie führt uns zurück zu unseren Ursprüngen. Sie sagt uns, dass wir Geschöpfe Gottes sind. Und dass Er das Ziel unserer Suche ist. Und dass Jesus uns zu diesem Ziel führt.

Wenn wir das begreifen und uns auf den „umgekehrten“ Lebensstil Jesu einlassen, weil wir glauben, dass uns damit der Weg zum Leben geschenkt ist, werden wir automatisch von der anderen Bedeutung des Wortes „umgekehrt“ berührt. Wir kehren um vom Weg der „anderen“: der Großen, Mächtigen, Ersten; derer, die aufgehen in Sorgen um Vordergründiges, Alltägliches; die in den Tag leben, ohne sich zu fragen, ob das, wofür sie leben, wirklich Leben ist. Wir lassen hinter uns den Ballast, der unser Leben träge macht und uns in vielerlei Hinsicht lähmt. Wir wenden uns ab von einer Lebensweise, die uns nicht gut tut.

Bischof Joachim Vobbe hat einen seiner Briefe an die Gemeinden des Bistums „umgekehrt“ genannt und darin alt-katholische Gedanken zum Bußsakrament geäußert. Das Wort „Buße“ nimmt auf, was im Bild des Umkehrens zum Ausdruck kommt. Leider ist es sprachlich stark belastet und schafft von daher eher Missverständnisse, ebenso wie der Begriff „Sünde“. Doch was hinter diesen Worten steht, ist nach wie vor aktuell und berührt jede menschliche Existenz. Es empfiehlt sich, den Bischofsbrief „Umgekehrt“ (wieder einmal) zu lesen. Im Fastenkurs werden wir ihn aufgreifen. Die abendlichen Vorträge während der Fastenwoche sind öffentlich und können auch von denen besucht werden, die nicht am Fasten selbst teilnehmen. Und noch etwas kann uns bei der Fastenzeit 2006 helfen: Wir haben wieder einen erwachsenen Taufbewerber. Das bedeutet: In den Gottesdiensten der Fastenzeit werden wir immer wieder an unsere eigene Taufe erinnert. Das Umkehren meint eigentlich, auf den in der Taufe eingeschlagenen Weg zurückzufinden. Insofern berührt eine Taufvorbereitung immer auch die Getauften. Auch sie werden in der Osternacht nach ihrem Glauben und der Bereitschaft, aus ihm zu leben, gefragt. Von daher lade ich zum Umkehrprozess „Fastenzeit“ ein.

Das sind die Fragen, auf die wir in der Osternacht antworten können:

Seid ihr bereit, in der Kraft des auferstandenen Christus das Böse durch das Gute zu überwinden?

Alle: Ich bin dazu bereit.

Seid ihr bereit, der Macht des Bösen zu widerstehen und für Frieden, Gerechtigkeit und für die Bewahrung der Schöpfung Sorge zu tragen?

Alle: Ich bin dazu bereit.

Seid ihr bereit, in der Freiheit der Kinder Gottes zu leben?

Alle: Ich bin dazu bereit.

Seid ihr bereit, den Weg der Gemeinde mitzugehen und einander in Liebe zu achten und beizustehen?

Alle: Ich bin dazu bereit.

Glaubt ihr an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde?

Alle: Ich glaube.

Glaubt ihr an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der geboren ist von der Jungfrau Maria, der gelitten hat und begraben wurde, von den Toten auferstand und zur Rechten des Vaters sitzt?

Alle: Ich glaube.

Glaubt ihr an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, die Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten und das ewige Leben?

Alle: Ich glaube.



(Joachim Pfützner, 22.02.2006)




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